ARTISET Magazin | 4-5 2022
ARTISET 04/05 I 2022 3 Editorial «Von unterstützenden Massnahmen profitieren alle Mitarbeitenden eines Unternehmens.» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Wir gehören dazu. Jedenfalls die meisten von uns. Unserem Alter, unseren Fähigkeiten und Vorlieben entsprechend, leis- ten wir einen Beitrag zum Gelingen der Gemeinschaft, der Wirtschaft. Wir reiben uns aneinander, entdecken unsere Stärken und Schwächen, sind stolz auf Erfolge, lernen mit Rückschlägen umzugehen. Eine Reihe von Menschen bleibt von solchen Erfahrungen indes ausgeschlossen. All jene, von denen wir meinen, dass sie aufgrund ihrer kognitiven, psy- chosozialen oder körperlichen Verfassung nicht in der Lage seien, als Teil der Gesellschaft ihren Weg zu gehen. Wir schaffen für sie gleichsam Gesellschaften innerhalb der Ge- sellschaft, von der Schule über die Berufsbildung bis hin zur Arbeitswelt und zur Wohnsituation. Es dürfte allerdings schwerfallen, Kriterien zu definieren, denen jemand genügen muss, um als Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Entscheidend ist vielmehr die Bereitschaft, sich als Gesellschaft gegenüber der ganzen Vielfalt zu öffnen – oder eben nicht. Eine solche Öffnung fordern die Postulate der UN-Behindertenrechtskonvention nach einem inklusiven (Berufs-)Bildungssystem, einer in- klusiven Arbeitswelt – einer inklusiven Gesellschaft eben. Ein hehrer Anspruch, zweifellos, und doch selbstver- ständlich. Seit die Schweiz im Jahr 2014 die UN-Behinder- tenrechtskonvention ratifiziert hat, geht es schrittweise in diese Richtung. Schub verleihen dürfte den Bemühungen die im März erfolgte Überprüfung der Schweiz durch den UN-Behindertenrechtsausschuss. In allen Bereichen gibt es hierzulande noch viel zu tun – besonders auch im Bereich Arbeit, dem wir unseren Fokus widmen. So sind junge Menschen mit kognitiven oder psychosozialen Beeinträch- tigungen oft von der staatlich organisierten beruflichen Grundbildung ausgeschlossen. Damit diese dennoch nicht mit leeren Händen dastehen, haben private Organisationen, vor allem der Branchenverband Insos, Ausbildungsangebote geschaffen und entwickeln diese ständig weiter. Erstmals gibt es jetzt Bemühungen, diese ins Berufsbildungssystem zu integrieren (Seite 6). Gerade der Erfolg der Praktischen Ausbildung (PrA) Schweiz (Seite 10 und Seite 12) müsste namentlich die Seite der Arbeitgebenden davon überzeugen, dass es sich dabei um eine arbeitsmarktnahe Ausbildung handelt. Eine Ausbildung, die sowohl für sogenannt teil- leistungsfähige Jugendliche als auch für die Wirtschaft Chancen mit sich bringt. Mit einer gewissen Unterstützung leisten Jugendliche und erwachsene Menschen mit Beein- trächtigung ihrenTeil zur Arbeitswelt. Das zeigt gerade auch unsere Reportage aus dem PflegeheimWendelin in Riehen BL, das in verschiedenen Abteilungen auf ihr Engagement zählt (Seite 20). «Unsere Wirtschaft ist in der Lage, teilleis- tungsfähige Menschen zu beschäftigen», sagt Beda Meier, Leiter der Insos-Kommission Arbeitswelt, gegenüber dem Magazin Artiset (Seite 24). Damit das Potenzial aber wirk- lich ausgeschöpft werden könne, brauche es Finanzierungen für Dienstleistungen, um Mitarbeitende vom ergänzenden in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten sowie sie und ihr Arbeitsumfeld dort zu unterstützen. Von solchen unter- stützenden Massnahmen dürften im Übrigen alle Mitarbei- tenden eines Unternehmens profitieren. Titelbild: Sandra Fischer arbeitet seit 30 Jahren imReinigungsteam des Pflegeheims Wendelin in Riehen BL. Foto: Marco Zanoni
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