ARTISET Magazin | 4-5 2022
ARTISET 04/05 I 2022 31 Manchmal ist der Magen voll, bevor der Teller leer ist. Die Folgen sind bekannt: Eine grosse Menge an Nahrungsmit- teln landet täglich im Abfall. Food Waste ist ein Phänomen, mit dem die Gastronomie zu kämpfen hat. Davon betroffen sind nicht nur Restaurants, sondern auch öffentliche Betrie- be – zum Beispiel das Generationenhaus Neubad in Basel: Das Küchenteam bereitet täglich rund 350 Essen für Seniorinnen und Senioren der Wohnbereiche sowie für Kin- der der hausinternen Kitas zu. Dazu kommen Mitarbeiten- de, Tagesgäste und Kinder, die am offenen Mittagstisch teilnehmen. Diese Diversität fordert den Bereichsleiter Gas- tronomie und Hotellerie, Markus Hügel, nicht nur in Bezug auf die Menüplanung heraus, sondern auch hinsichtlich der Mengen: «Bei uns ist kein Tag wie der andere», sagt er. Dass unter diesen Umständen gewisse Lebensmittelüberschüsse entstehen, die im Abfall landen, war dem gelernten Koch schon lange ein Dorn im Auge. Drei-Säulen-Prinzip Als die Firma Foodways, die der Brancheninitiative United Against Waste angehört, bei Markus Hügel anklopft, steht die Küchentüre weit offen. Ende 2019 startet Foodways ein Pilotprojekt und lanciert einen «umfassenden Ansatz für die Begleitung von Gastronomiebetrieben», wie Inhaber Mar- kus Hurschler erklärt. Das nachhaltige Vorhaben wird von der Christoph Merian Stiftung sowie von Stadt und Kanton Basel unterstützt. Das Generationenhaus Neubad ist eines von drei Pilotbetrieben, die beim Projekt mitmachen. Das Konzept basiert auf drei Säulen: «Einkauf von nachhaltigen Produkten, ausgewogene Ernährung, Reduktion von Lebens- mittelabfällen», zählt Initiant Markus Hurschler auf. Was auf Anhieb logisch klingt, erfordert in der Praxis jedoch einen Effort. Markus Hügel muss die Mitarbeitenden für das Projekt gewinnen und die Verantwortlichen ins Boot holen. «Die Idee hat uns überzeugt», betont Geschäftsführer Dominik Lehmann. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Lebensmitteln entspreche den ethischen Werten der Organisation. Im Generationenhaus kommt ein Prozess in Gang. Beim Einkauf setzt man noch stärker auf regionale Produkte, be- stellt ausschliesslich Schweizer Fleisch und Fisch und bezieht das Obst bei nahegelegenen Landwirtschaftsbetrieben. Für diese Bemühungen wird die Organisation 2020 mit einer sehr guten Bewertung durch «Beelong» ausgezeichnet, ein Verfahren, das die Nachhaltigkeit eingekaufter Lebensmittel analysiert. Auf dem Wochenmenüplan werden Fleischge- richte reduziert und durch andere protein- und ballast- stoffreiche Menüs ersetzt. Trotzdem muss niemand auf sein Lieblingsgericht verzichten: «Wer gerne ein Stück Fleisch haben möchte, kann dies jederzeit à la carte bestellen», so Markus Hügel. Bewohner Fritz Thommen, der seit fünf Jahren im Generationenhaus wohnt, rühmt die Küche und meint: «Das Essen ist sehr vielseitig.» Dass die Küchen equipe auf Nachhaltigkeit setzt, begrüsst der Rentner. Tiefere Kosten Das Vermeiden von Food Waste entpuppt sich als grösste Herausforderung und erfordert Anstrengungen von allen Beteiligten. In der Küche werden vor dem Service sämtliche Lebensmittel wie Suppe, Fleisch, Gemüse, Salat, Milch produkte, Stärkebeilagen oder Brotwaren gewogen und in separaten Behältern auf die Wohngruppen geliefert. Die Mitarbeitenden halten sich an die Devise: «Weniger auf den Teller schöpfen und bei Bedarf nachschöpfen», wie Markus Hügel ausführt. Nach den Mahlzeiten werden die Behälter erneut gewogen. Dazu kommt ein Topf, in dem sich die Abfälle befinden. Auch diese stellt man auf die Waage. «Wir halten alle Zahlen in einem Tool fest, das uns im Rahmen des Pilotprojekts zur Verfügung gestellt wurde», sagt Markus Hügel. Gestützt auf diese Software kann der Bedarf genau ausgewertet werden. Foodways hat über einen Zeitraum von vier Wochen eine Erfolgsmessung durchgeführt, die ein beachtliches Resultat zeigt: Die Abfallmenge hat sich inner- halb eines Monats um 73 Prozent verringert. Das sind ins- gesamt 477 Kilogramm weniger Lebensmittel, die im Keh- richteimer landeten. Markus Hügel präsentiert die Zahlen mit Stolz: «Es macht mich glücklich, dass wir diesen Erfolg vorweisen können», sagt er. Die neue Strategie wirkt sich auch auf die Kasse aus. Geschäftsführer Dominik Lehmann gibt an, dass der sorgfältige Umgang mit Lebensmitteln in- nerhalb eines Jahres zu Einsparungen von 100000 Franken geführt habe. In der Gastronomie sucht man nach Lösungen, um die Ver- schwendung von Lebensmitteln zu reduzieren. Mehr Qualität – weniger Food Waste: Diese Devise gilt im Generationenhaus Neubad in Basel. Für den nachhaltigen Einkauf von Lebens mitteln wurde die Organisation ausgezeichnet. Von Monika Bachmann
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