ARTISET Magazin | 4-5 2022

ARTISET 04/05 I 2022  35 von relevanten Unterlagen und Regis- tern ergänzt. Ein besonderes Augenmerk: die Gesundheitsprävention Neben der Überprüfung der An­ wendung und Dokumentation von Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit entschied die Kom- mission, ein besonderes Augenmerk auf das Beschwerdemanagement, die Gewaltprävention sowie die Gesund- heitsversorgung zu legen. Des Weiteren sind ebenfalls die Infrastruktur und die Tagesstruktur der Bewohnenden von Bedeutung für die NKVF. Bei der Gesundheitsversorgung wurden insbesondere die Wahrung der freien Arztwahl sowie die Organisation der medizinischen und psychiatrischen Versorgung, die Handlungskette und der Zugang zu medizinischer Versor- gung und therapeutischen Angeboten vertieft angeschaut. Die Kommission erhält bei ihren Besuchen jeweils eine Momentaufnahme. Deshalb gestaltet sich die Überprüfung von Massnah- men, die zum Beispiel anlässlich der ersten Wellen der Pandemie getroffen wurden, und deren Auswirkungen auf die Bewohnenden als schwierig. Anforderungen sind je nach Kanton sehr unterschiedlich Im Rahmen ihres Monitorings orien- tiert sich die NKVF an den für die Unterbringung in Alters- und Pflege- heimen relevanten internationalen und nationalen Vorgaben. Neben dem In- ternationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Pakt II) und der Europäischen Menschen- rechtskonvention (EMRK) sind dies insbesondere die UN-Behinderten- rechtskonvention (UN-BRK), die Bio- medizinkonvention sowie die relevan- ten Standards des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter (CPT). Auf Bundesebene sind in erster Linie die Bestimmungen des Zivil­ gesetzbuches (ZGB) relevant, vor allem die Bestimmungen über den Aufent- halt inWohn- und Pflegeeinrichtungen (Art. 382 ff. ZGB). Konkretere Vorgaben finden sich auf kantonaler Ebene. Jeder Kanton ver- fügt über seine eigenen Ausführungs- bestimmungen und konkretisiert diese in unterschiedlicher Weise. Daraus resultieren schweizweit ein heterogener normativer Rahmen sowie teilweise ungleiche Anforderungen für Leitende von Alters- und Pflegeheimen. Als nationales Kontrollorgan bietet die NKVF einen Mehrwert, indem sie sowohl die guten und innovativen als auch die problematischen Prakti- ken schweizweit erhebt und diese im Lichte der internationalen Standards analysiert. Daraus resultieren vonseiten der Kommission entsprechende Fest- stellungen und Empfehlungen, die gemäss Erfahrung Auswirkung auf die ganze Schweiz haben. Im Anschluss an jeden Besuch wird ein Schreiben verfasst, das zusammen mit der Stellungnahme der zuständi- gen kantonalen Behörde auf der Web- site der NKVF veröffentlicht wird . UmDoppelspurigkeiten zu vermeiden, plant die Kommission, mit den jewei- ligen, bereits bestehenden kantonalen Aufsichtsbehörden Kontakt aufzuneh- men. Die Berichte über die ersten bei- den Besuche werden im Sommer 2022 veröffentlicht.  * Regula Mader ist Präsidentin der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter; Alexandra Kossin ist wissenschaftliche Mit­ arbeiterin. Die ersten Erfahrungen im Alters- und Pflegebereich zeigen, dass die Verantwortlichen sich ihrer an­ spruchsvollen Arbeit bewusst sind. INSPEKTION IN DEN HEIMEN Die Besuche der Nationalen Kommis­ sion zur Verhütung von Folter (NKVF) dauern jeweils ein bis zwei Tage. Da­ nach verfasst die Kommission einen Bericht zuhanden der Aufsichts­ behörde. Diese hat zwei Monate Zeit, Stellung zu nehmen. Liegt deren Stellungnahme vor, wird der Bericht veröffentlicht. Die Berichte über die Besuche in den zwei Alters- und Pfle­ geheimen in den Kantonen Aargau und Genf werden imSommer veröffentlicht. Die NKVF besteht seit 2010. Sie über­ prüft die Menschen- und Grundrechts­ konformität freiheitsbeschränkender Massnahmen in Einrichtungen, wo Menschen durch einen behördlichen Entscheid in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Der gesetz­ liche Auftrag betrifft auch die men­ schen- und grundrechtliche Beurtei­ lung von bewegungseinschränkenden Massnahmen an Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrich­ tungen oder in Heimen. Informationen zur Kommission ➞ www.nkvf.ch

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