ARTISET Magazin | 4-5 2022

ARTISET 04/05 I 2022  47 Die 10 Forderungen des VBMB: 1 Einbezug der Menschen mit Behinderungen: Medi- zinische Massnahmen benötigen eine informierte Einwilligung. Die Fachpersonen bezie- hen Menschen mit Behinderungen (und auf ihren Wunsch auch nahestehende Personen) aktiv und auf Augenhöhe mit ein. 2 Kompetenter und respektvoller Umgang: Die Fach- personen kennen die Rechte, Bedürfnisse und Le- bensrealitäten ihrer Patientinnen und Patienten mit Behinderungen. Sie zeigen Verständnis für ihre Situ- ation – jenseits von stereotypen Vorstellungen oder Vorurteilen. Sie kommunizieren so, dass ihr Gegen- über sie versteht. 3 Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsfachperso- nen: Bund, Kantone und Verbände sorgen dafür, dass die Gesundheitsversorgung der Menschen mit Behinderungen als Querschnittsthema in die Aus- und Weiterbildung aller beteiligten Berufsgruppen einfliesst. Ein spezielles Augenmerk liegt auf den Schnittstellen zwischen kinder-, haus- und spezia- lärztlicher Betreuung. Die Verankerung der Thematik wird durch die Gründung von Lehrstühlen bzw. spe- zialisierten Abteilungen für «Behinderung und Ge- sundheitsversorgung» sichergestellt. 4 Bündelung von Ressourcen: Die Kantone prüfen in der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) die Ein- richtung von Kompetenzzentren für spezifische Krankheitsbilder und /oder Behinderungsformen; alle involvierten Disziplinen weisen einen hohen Pra- xisbezug auf. Zu ihrem Auftrag gehören ■ die Entwicklung von Behandlungen und interdis- ziplinären Vorgehensweisen ■ Aus- und Weiterbildungsangebote ■ die Beratung für behandelnde Fachpersonen und Menschen mit Behinderungen respektive ihre An- gehörigen. 5 Koordination der Versicherer: Die Leistungen der verschiedenen Versicherungen (IV, Kranken- und / oder Unfallversicherung) berücksichtigen die Situa- tionen von Menschen mit Behinderungen. Die Ver- sicherer koordinieren sich entsprechend. 6 Finanzierung von behinderungsbedingten Mehrkos- ten: Die obligatorische Krankenpflegeversicherung deckt die behinderungsbedingten Mehrkosten. Ge- mäss Tarmed respektive Tardoc wird der zusätzliche Zeitaufwand vergütet, wenn Ärztinnen und Ärzte die Abläufe ihrer Arbeit den individuellen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen anpassen müssen. Zwei Beispiele: ■ Bei Untersuchungen werden die verfügbare Zeit und die vergütete Anzahl aufeinander folgender Massnah- men dem realen Bedarf der Menschen mit Behinde- rungen angepasst. ■ Die Versicherer übernehmen die Kosten für unver- zichtbare Begleitpersonen sowie für ein Doppelzim- mer, wenn die dauernde Anwesenheit einer Begleit- person oder Assistenz erforderlich ist. Dolmetscherinnen und Dolmetscher (zum Beispiel für Gebärdensprache) werden vergütet. 7 Barrierefreiheit: Die Kantone stellen sicher, dass In- stitutionen des Gesundheitswesens auch für Men- schen mit Behinderungen jeglichen Alters in allen Bereichen zugänglich sind. Dazu gehören geeignete Aufnahme-, Untersuchungs- und Behandlungspro- zesse, Orientierungshilfen, klare Signalisation, Infor- mationen auf verschiedenen Kommunikationskanä- len, barrierefreie Websites, die Anbindung an den öffentlichen Verkehr etc. Fachpersonen und Fachstel- len sind in der Lage, adressatengerecht Erklärungen zu den Medikamenten abzugeben. 8 Zugang zu Informationskampagnen: Bund und Kan- tone gewährleisten den Zugang für alle Menschen zu Gesundheits- und Präventionskampagnen über ihre Informationskanäle (zum Beispiel via Leichte Sprache oder Videos in Gebärdensprache). 9 Verantwortung und Expertise vor Ort: Die Kantone sind dafür besorgt, dass in Spitälern und anderen Pflegeeinrichtungen Beauftragte für das The- ma «Behinderung» ernannt und ausgebildet werden. Sie erhalten in den Gremien der oberen Leitungsebe- ne Einsitz. Die Beauftragten fungieren als Ansprech- und Auskunftsperson für Menschen mit Behinderun- gen, ihre Angehörigen und das betreuende Personal (Vermittlerfunktion). 10 Expertise und Zusammenarbeit: Fachpersonen be- rücksichtigen die Kenntnisse und Erfahrungen der Menschen mit Behinderungen und / oder ihrer nahe- stehenden Personen. Sie holen das spezifische Wissen von Fach- und Beratungsstellen der Behindertenor- ganisationen ein. Ein besonderes Gewicht messen sie den Übergängen im Lebenslauf bei. Der VBMB vertritt die Haltung, dass alle Menschen ein Recht auf eine bedürfnisgerechte Gesundheitsversorgung haben. Der Bundesrat hat versprochen, er werde sich vor- aussichtlich Ende dieses Jahres mit den künftigen Schwer- punkten der Behindertenpolitik in der Schweiz befassen. Dies biete den Rahmen, den Empfehlungen des UN-Aus- schusses Rechnung zu tragen.

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