ARTISET 04/05 I 2023 15 Die Fondation Domus in Martigny hat es gewagt: Seit fünf Jahren leben die Mitarbeitenden partizipatives Management, in dem die Teams auch ihre Arbeits- und Ferienpläne selber gestalten. Ganz einfach lief das nicht ab. Aber alle finden es spannend, dass sie sich in die neuen Strukturen stärker einbringen können, und sehen einen grossen Mehrwert für ihre Arbeit. Von Claudia Weiss Durch die Fenster der Büros in Martigny sieht man auf den fast 3 000 Meter hohen Grand Chavalard. Massiv und unverrückbar steht er da. Alles andere als starr und unverrückbar hingegen ist die Fondation Domus: Die Institution, die 56 Menschen mit meist psychischer Beeinträchtigung beherbergt und 83 Plätze im therapeutischen Tageszentrum sowie 140 Wohnungen für Klientinnen und Klienten bietet, ist ausgesprochen lebendig und passt sich demWandel der Zeit an. Genau genommen, sei der Bedarf nach neuen Strukturen schon lange dagewesen, sagt Geschäftsführer Philippe Besse. «Nur ich war noch nicht so weit.» Er schmunzelt. Es sei nicht so einfach, als «Directeur», der vor 20 Jahren in der Fondation angefangen und seine Führungsrolle gern wahrgenommen habe, so mir nichts, dir nichts Aufgaben und Kompetenzen abzutreten und im partizipativenTeam zu funktionieren. Er überlegt kurz und sagt dann ehrlich, dass es ihm wohl nicht gelungen wäre, hätte ihn nicht ein komplettes Burnout für mehrere Monate zur Erholung gezwungen und ihm gezeigt, dass es so nicht weitergeht. Zurückgekommen sei vor sechs Jahren quasi ein neuer Philippe Besse: einer, der die Zeichen der Zeit wahrnahm, wusste, dass besonders die jungen Nachwuchskräfte andere Ansprüche an ihre Stelle haben. Und der daher ohne langes Zaudern gemeinsam mit dem Leitungsteam eine neue partizipative Managementform plante und einführte. Ein Jahr Testlauf im achtköpfigen kooperativen Leitungsteam mit enger Begleitung durch einen externen Coach zeigte: Es kann funktionieren – wenn alle dahinterstehen und am selben Strick ziehen. Stéphanie Emery Haenni, Verantwortliche Personal und Bildung, stiess just zu dieser Zeit zum Team, sie lernte Philippe Besse bereits als offenen Chef kennen, einen, der allen Verantwortung für ihre jeweiligen Positionen zugesteht. Einen, der alle ermuntert, selber Verantwortung zu übernehmen, Initiative zu zeigen und mitzureden. Ihr entspricht diese Form sehr – für sie ist partizipatives Management sogar die einzig sinnvolle Form für eine Institution, die Menschen mit mehrheitlich psychischen Beeinträchtigungen bei der Wiedereingliederung in den Alltag helfen will: «Wir arbeiten mit psychosozialer Rehabilitation. Die Leute, die wir begleiten, sollen lernen, wieder ihr eigenes Leben zu pilotieren. Das können wir ihnen nur glaubwürdig vermitteln, wenn wir auch im Team Selbstbestimmung leben.» Partizipation für alle 130 Mitarbeitenden Nachdem das Direktionskollegium das Testjahr überstanden hatte, wagte es deshalb im Februar 2019 den Sprung, präsentierte den Teams die neue Vision und erklärte, dass die partizipative Führungsform nun für die gesamte Institution, also für alle rund 130 Mitarbeitenden, eingeführt werde. Die Reaktionen waren gemischt: Einige begegneten dem neuen Modell etwas zurückhaltend, ein paar waren total dagegen und wiederum andere superenthusiastisch. «Aber die meisten waren interessiert und offen gegenüber unseren Ideen», sagt Philippe Besse. So starteten alle Teams mit dem Coaching in partizipativem Management – begeistert, aber immer wieder überrascht, wie komplex die Fragen rund um diesen Wechsel sind. Und rasch zeigte sich: Es geht keineswegs darum, dass alle demokratisch über alles bestimmen, vielmehr müssen die Rahmen punkto Regeln, Finanzen oder Ziele noch viel exakter definiert sein als zuvor. «Die grosse Freiheit liegt innerhalb dieses Rahmens», erklärt Stéphanie Emery Sie sehen das partizipative Management der Fondation Domus als Bereicherung ihrer Arbeit: Sozialarbeiterin Charlotte Reuse, Pflegefachmann Sébastien Cattiez, Personalverantwortliche Stéphanie Emery Haenni und Direktor Philippe Besse (von links). Foto: cw ➞ fondation-domus.ch
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