ARTISET 04/05 I 2023 7 Das Alters- und Pflegeheim Haus Vorderdorf in Trogen AR trotzt dem Fachkräftemangel. Statt immer und überall zu sparen, investiert man in die Ausbildung und in Massnahmen für ein gutes Betriebsklima. Die Erfahrungen damit sind gut, die Fluktuationsraten beim Personal niedrig. Von Urs Tremp Trogen: 900 Meter über Meer, 1850 Einwohnerinnen und Einwohner, eine halbe Bahnstunde von St. Gallen. Zwar Mit-Hauptort eines Halbkantons (Appenzell Ausserrhoden) und ausgestattet mit kunsthistorisch bedeutenden Wohn-, Repräsentations- und Kirchenbauten. Doch Trogen liegt abseits der grossen Verkehrswege. Die Eisenbahn endet hier: eine Sackgasse der Appenzeller Bahnen. Und ausgerechnet imTrogner Alters- und PflegeheimHaus Vorderdorf, einem Haus für verschiedene Wohnformen, soll der Fachkräftemangel kein oder kaum ein Thema sein? Ilir Selmanaj weiss natürlich, dass man sich dies in Zürich oder Bern kaum vorstellen kann. Und der Leiter des Hauses streitet gar nicht ab, dass man die Klage über fehlendes Pflegepersonal auch in Trogen kennt. Doch er sagt auch: «Wir müssen aufhören zu jammern.» Stattdessen: «Etwas unternehmen.» Neuausrichtung auch beim Personal Tatsächlich hat man im Haus Vorderdorf, das eigentlich mehrere Häuser umfasst, in den vergangenen Jahren einigen Aufwand betrieben, um aus dem Alters- und Pflegeheim nicht nur für die rund 70 Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch für die ebenso vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen attraktiven Ort zu machen. 2003, das Ehepaar Sabine und Ilir Selmanaj hatte eben die Leitung des Hauses übernommen, wurde aus dem früheren Gehörlosenheim sukzessive ein zeitgemässes Alters- und Pflegezentrum mit Alterswohnungen, Wohnungen für betreutes Wohnen und mit Pflegezimmern (durchschnittliche Besa-Einstufung derzeit: 7). Diese Entwicklung bedingte nicht nur bauliche Erweiterungen und Anpassungen, sondern auch eine Neuausrichtung beim Personal. Fachleute waren gefragt, die dem Charakter des Hauses entsprechen und das nötige Knowhow für Pflege, Betreuung oder Aktivierung mitbringen, aber auch für die Hotellerie und die ihr anverwandten Dienste. «Dafür mussten wir mehr machen, als nur Inserate zu schalten und zu warten, dass sich qualifizierte Leute melden», sagt Ilir Selmanaj. «Wir mussten Angebote machen, damit sich auch Männer und Frauen melden, die umsteigen wollen oder einen Einstieg in den Pflegeberuf vielleicht einmal erwogen, sich dann aber aus unterschiedlichen Gründen nicht dafür entschieden haben.» Ein solcher Mann ist Timo Fahrni. Der junge Berufseinsteiger hat eine handwerkliche Lehre gemacht und auf dem Bau gearbeitet. Jetzt macht er im Haus Vorderdorf eine Ausbildung zum SRK-Pflegehelfer. Mit der Aussicht, später eine verkürzte FaGe-Ausbildung absolvieren zu können. «Bei vollem Lohn», sagt Heimleiter Selmanaj. Andere Institutionen würden hier die Sparschraube anziehen. Aber Selmanaj sagt: «Unter dem Strich kommt das für uns günstiger. Denn so können wir die Leute behalten und müssen nicht dauernd neue suchen. Eine solche Suche ist mit allen Folgekosten teuer und bringt nicht immer, was man sich erhofft.» So ist man im Trogner Alters- und Pflegezentrum zur Einsicht gekommen, dass Aus- und Weiterbildungen wichtige Massnahmen gegen den Fachkräftemangel sind. In die Ausbildung investieren Die Stiftung, die Trägerin des Hauses ist, unterstützt diese Strategie. «Wenn man Personal halten will, muss man in die Ausbildung investieren», sagt Antonia Fässler, die Stiftungsratspräsidentin. Das tut die Stiftung Haus Vorderdorf nicht allein, sondern imVerbund mit anderen Altersinstitutionen aus dem Appenzellerland. Dafür haben acht Alters- und Pflegeheime in den beiden Halbkantonen den Ausbildungsverbund «Pflege AR/AI» gegründet. Er will für die Übergangszeit bis zur Umsetzung der Pflegeinitiative ein Konzept zur Ausbildungsförderung der Pflege HF erarbeiten und hat einen Fonds zur Ausbildungsförderung geäufnet. Dank namhafter Beiträge von Stiftungen kann seit März den
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