Das Wohlbefinden fördern – ohne Medikamente Magazin ARTISET

ARTISET 04/05 I 2024 11 Berufsalltag als Pflegefachfrau kann ich bestätigen, dass etwa die jeweilige Lieblingsmusik bei Menschen mit Demenz gut wirkt. Ich mag Musik ebenfalls. Wenn ich im Gemeinschaftsraum Musik laufen liess, ergaben sich häufig spontan positive Interaktionen. Wenn es gelingt, an die Lebenswelt der Bewohnerinnen und Bewohner anzuknüpfen, trägt das ebenfalls zur Zufriedenheit bei – wenn etwa jemand, der früher als Handwerker arbeitete, mit einem Schraubenzieher hantieren kann. So kommt die jeweilige Individualität zum Vorschein. Deswegen gibt es nicht eine Therapie oder Intervention, die für alle passt. Welche nicht-medikamentösen Behandlungen werden besonders oft angewendet? Je nach Institution werden verschiedene Akzente gesetzt. Häufig werden Beschäftigungen angeboten und soziale Kontakte gefördert, zum Beispiel in Form von Aktivierungstherapie in Gruppen. Manchmal werden auch kulturelle Anlässe veranstaltet. Einige Heime haben auch einen Garten mit verschiedenen Sitzmöglichkeiten und vielleicht sogar mit Tieren. All dies kann einen emotionalen Bezug schaffen und Gefühle von Sinnhaftigkeit und Verbundenheit ermöglichen, die so wichtig für uns Menschen sind. Auch die Architektur, die Lage und die Grösse von Institutionen können nicht-medikamentöse Therapien fördern oder hemmen. Kleinere, familiäre Heime in der Natur haben im psychosozialen Bereich einen Vorteil. Dafür ist häufig eine umfassende und interprofessionelle Versorgung, besonders für Menschen mit hohem und komplexem Bedarf, schwieriger. Sie haben nun vor allem von Menschen im Alter und in der Langzeitpflege gesprochen. Wie sieht es bei Personen mit Einschränkungen generell aus? Die menschliche Interaktion ist ein Hauptwirkfaktor von nicht-medikamentösen Therapien, und diese ist für alle Menschen, auch für diejenigen mit physischen, psychischen und kognitiven Einschränkungen und Erkrankungen wichtig. Beeinträchtigungen und ihre Folgen können für Betroffene und ihre Angehörigen belastend sein. Daher besteht häufig ein Bedarf an psychosozialer Unterstützung – was auch zur nicht-medikamentösen Behandlung gezählt werden kann. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich hoffe, dass es gelingt, das Gegenüber wieder stärker als Mensch zu sehen und auch so zu behandeln und zu pflegen. Das ist ein grosses Anliegen, das ich mit vielen Pflegenden und anderen Fachpersonen teile und das mich zu meiner Forschungsarbeit in diesem Bereich motiviert. Deshalb wünsche ich mir, dass nicht-medikamentöse Therapien und Interventionen in der Praxis noch stärker eingesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass dies den Betroffenen, ihren Angehörigen wie auch den Fachpersonen zugute kommt und so einen positiven Effekt auf Organisationen und die Gesellschaft hat. In der Praxis widerspiegeln die Abrechnungssysteme den psychosozialen Unterstützungsbedarf noch wenig, hier gibt es viel Luft nach oben. * Eliane Baumberger ist Pflegeexpertin an der Alterspsychiatrie und Psychotherapie der UPD und schreibt zurzeit eine Dissertation zum Thema nicht-medikamentöse Interventionen in Kooperation mit der Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit. Eliane Baumberger: «Die menschliche Interaktion ist ein Hauptwirkfaktor von nicht-medikamentösen Therapien.» Foto: esf «In der Alterspflege ist die Wirksamkeit von Musik und Bewegung gut belegt.» Eliane Baumberger Im Fokus

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