ARTISET 04/05 I 2024 15 Im Fokus Wie ein Elixier wirkt die hypnotische Kommunikation bei der Betreuung von Betagten. Das zeigen Beispiele aus dem Altersheim St. Urban in Winterthur. In Krisensituationen werden die betreuten Personen behutsam abgeholt und zu positiven Momenten in ihrem Leben geführt. Ab und zu auch mit einem Schwebevogel. Von Christian Bernhart (Text und Foto) Zum Erfreulichen des Lebens zurückführen Den Zeigefinger seiner rechten Hand hält Roland Krattiger unter die Schnabelspitze der Möwe, auf die man gespannt blickt, weil sie, nur punktuell gestützt, seitlich, mal links, mal rechts, zu kippen droht. Passiert aber nicht. Balance-Bird, so der Name dieses Kinder-Schwebevogels, zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Möwe dient Krattiger, dem Pflegefachmann und Teamleiter Alterswohngruppen im Altersheim St. Urban in Winterthur, in Krisensituationen für die hypnotische Kommunikation, wie er im folgenden Beispiel ausführt. Der Betagte hatte an diesem Morgen einmal mehr gar keinen guten Tag. Er zeigte Angst, die in Aggression überging, wie Krattiger erzählt: «Als ich in sein Zimmer für die Grundpflege kam, fing er an zu fluchen und zu schimpfen, sodass ich mich so nicht zu ihm traute. Darauf holte ich die magische Möwe, betrat erneut das Zimmer, hielt sie ihm hin und sagte ruhig: ‹Schauen Sie mal, was ich hier habe.› Der Betagte fixierte den in Balance gehaltenen Vogel, den ich ihm übergab. Ich fragte ihn ruhig: ‹Wenn Sie jetzt ein Vogel wären, wohin würden Sie fliegen?› Er sagte, zu meinen Katzen. Wir fingen an, über seine Katzen zu sprechen; er erzählte von ihren Eigenarten und nannte ihre Namen. So traten sie vor seine Augen, er fing an, sich wohlzufühlen, und liess sich in dieser Situation problemlos pflegen.» «Der Vogel ist für uns ein Hilfsmittel», präzisiert die Bereichsleiterin Pflege Andrea Ott, denn: «Er richtet den Fokus auf etwas anderes, und während sich die Leute auf ihn konzentrieren, kommen sie ein bisschen in Trance.» Die Ablenkung hin zur Trance ist ein wichtiger Einstieg in die Hypnose. Die Pflegefachleute im Altersheim St. Urban in Winterthur verwenden Hypnose nicht als Therapie, sondern als hypnotische Kommunikation in der Betreuung ihrer Heimbewohnerinnen und -bewohner. Hier leben 60 Personen in der Alterswohngruppe, 24 in der Pflegewohngruppe und 36 betagte Personen in zwei Demenzhäusern. Mit Empathie zu den lichten Momenten In der hypnotischen Kommunikation gehe es darum, auf die Person in ihrer Krise oder Trauer einzugehen und sie im Gespräch empathisch auf die guten oder besseren Momente in ihrem Leben hinzusteuern, wie Andrea Ott erklärt und dies an der Begegnung einer Heimbewohnerin illustriert, deren Mann eben auf der Demenzabteilung verstorben war. «Ich traf sie weinend im Empfangsbereich unseres Altersheims und fragte sie, was sie so
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