Partizipative Führung hat Zukunft | Magazin ARTISET | 6 2022

12  ARTISET 06 I 2022 Im Fokus schwerfällig. Es braucht oft sehr lange, bis Entscheide gefällt werden. Sie beraten besonders Unterneh- men im Non-Profit-Bereich, wozu auch viele soziale und sozialmedi- zinische Organisationen gehören. Wie schätzen Sie hier das Interesse an agilen Organisationsstrukturen ein? Im Non-Profit-Bereich stellen wir ein grosses Interesse an agilen Arbeits- und Organisationsformen fest. Man kann von einem eigentlichen Boom sprechen. Der grosse Durchbruch für agile Organisati- onen kam dabei von der IT-Welt. Be- dingt durch die technologischen Entwick- lungen war und ist man dort gezwungen, sehr schnell immer wieder neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Mit den ursprünglichen Struk- turen und dem tradierten Management- verständnis ist dies schlicht nicht möglich. Das agile Denken ist jetzt übergeschwappt in die Non-Profit-Welt. Diese ist per se affiner für agile Organisationsformen als die Wirtschaft im Allgemeinen, weil Par- tizipation der Mitarbeitenden hier grundsätzlich schon immer höher gewich- tet worden ist. Können Sie das näher erläutern? Viele arbeiten in diesem Sektor, weil sie intrinsisch für den Zweck der jeweiligen Non-Profit-Organisation motiviert sind. Man engagiert sich aus ideellen Gründen für den Umweltschutz zum Beispiel oder für bestimmt soziale Belange. Wer in ho- hem Mass vom Organisationszweck überzeugt ist, will Mitverantwortung tragen und gibt sich nicht damit zu zu- frieden, nur ein kleines Zahnrad im Ge- triebe zu sein. In der Organisationswelt im Allgemeinen ist eine solche Identifika- tion mit dem Organisationszweck selte- ner. Ich selbst bewegte mich immer im Non-Profit-Bereich. Es bestehen hier der Wunsch und auch die Bedingung, in Ent- scheide direkt eingebunden zu werden. Agile Arbeits- und Organisationsformen drängen sich hier geradezu auf. Wie zeigt sich dieses Interesse ge- rade auch im Bereich der sozialen und sozialmedizinischen Organisa- tionen? Ein prominentes Beispiel ist die Spitex Zürich Limmat. Vom holländischen Mo- dell Buurtzorg inspiriert, organisieren seit gut zwei Jahren die Teams ihre Arbeit selbst. Neben ambulanten Organisatio- nen gibt es auch stationäre Einrichtun- gen: Bereits 2017 hat das Haus Selun in Walenstadt des Ostschweizer Kompetenz- zentrums für Menschen mit einer Kör- perbehinderung oder Hirnverletzung das soziokratische Kreismodell eingeführt. Agile Organisationsformen kennt etwa auch die Stiftung Menschen mit Behin- derung Fricktal. Zahlreiche weitere Ein- richtungen setzen sich mit solchen Arbeits- und Organisationsformen auseinander. Ob sich eine Organisation darauf einlässt, hängt von den Menschen ab, den Füh- rungspersonen und den Mitarbeitenden. Sie müssen offen und bereit sein dafür. Welche Grundhaltungen und Werte braucht es aufseiten der Mitarbei- tenden und Führungspersonen? Bei allen agilen Modellen steht im Zent- rum, dass sich die Mitarbeitenden mit den Organisationszielen auseinanderset- zen und sich überlegen, wie sie an ihrem Platz und in der Zusammenarbeit mit anderen zur Erfüllung dieser Ziele bei- tragen können. Sie müssen auch Entschei- dungen treffen und Verantwortung über- nehmen wollen. Das ist ein durchaus hoher An- spruch an die Mitarbeitenden… Die Umsetzung agiler Arbeitsformen ist anspruchsvoll, und zwar für alle. Bezo- gen auf die Zusammenarbeit in den Martin Diethelm, Partner der B’VM AG: «Die Non-Profit-Welt ist per se affiner für agile Organisationsformen als die Wirtschaft im Allgemeinen.»  Foto: B’VM

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