Partizipative Führung hat Zukunft | Magazin ARTISET | 6 2022

ARTISET 06 I 2022  3 Editorial «Im Kampf um Fachkräfte punktet, wer den Wunsch nach Partizipation und Selbstorganisation erkennt» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Unsere Lebens- und Arbeitswelt ist einem Wandel unter- worfen. EinWandel, der auch die Welt der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf betrifft. Unsere kom- plexe, diverse Gesellschaft, der Wohlstand, ein hohes Aus- bildungsniveau und rasch sich wandelnde Rahmenbedin- gungen ziehen die Forderung nach Individualisierung, Transparenz, Partizipation und Autonomie nach sich. Als Kundinnen und Kunden respektive Klientinnen und Kli- enten fordern wir massgeschneiderte, auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Produkte und Dienstleistungen. In der Wirtschaftswelt redet man von Kundenfokussierung. Im Gesundheits- und Sozialbereich hat sich dafür der Be- griff der Personenzentrierung eingebürgert. Als Mitarbei- tende geben wir uns nicht mehr damit zufrieden, Be- fehlsempfänger zu sein. Wir wollen unsere Arbeit vermehrt selbst organisieren, Ideen und Vorstellungen ins Unterneh- men einbringen. Unternehmen und Organisationen positionieren sich dann erfolgreich, wenn sie die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigen. Die individuellen Bedürfnisse der Klien- tinnen und Klienten, von Bewohnerinnen und Bewohnern lassen sich am besten erkennen und befriedigen, wenn jene Mitarbeitenden, die im direkten Kontakt mit diesen stehen, eine hohe Entscheidungsfreiheit haben. Und: Im Kampf um Fachkräfte punktet, wer denWunsch nach Partizipation und vermehrter Selbstorganisation erkennt. Gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich ist dies be- sonders wichtig. Hier sind Menschen tätig, die sich mit einer hohen intrinsischen Motivation um die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten kümmern. «Wer in hohem Mass vom Organisationszweck überzeugt ist, will Mitver- antwortung tragen und gibt sich nicht damit zufrieden, nur ein kleines Zahnrad im Getriebe zu sein», sagt Martin Diet- helm von der Beratungsgruppe für Verbands-Management im Interview mit dem Magazin Artiset (Seite 11). Im Non-Profit-Bereich, zu dem auch viele Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf gehören, stellt er denn auch ein grosses Interesse an agilen, partizipativen Arbeits- und Organisationsformen fest. Die Beiträge in dieser Aus- gabe machen deutlich, dass sich solche Strukturen, die häufig unter dem Begriff «agil» figurieren, auf vielfältige Art und Weise definieren und umsetzen lassen. Besonders ein- drücklich ist, wie selbst eine grosse Pflegeorganisation wie die Heime Kriens AG (LU) sich über die Jahre in ein kol- legial geführtes Unternehmen entwickelt (Seiten 6 und 8). In einem Pflegeheim der Saphir-Stiftung in Orbe (VD) wird derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts untersucht, welche Bedeutung autonome Teams, die rasch entscheiden können, für die personenzentrierte Unterstützung haben (Seiten 16 und 18). Die soziale Institution Haus Selun und Movero inWalenstadt (SG) sowie die Organisation Kontext Mensch in Bern haben mit dem soziokratischen Kreisorganisations- modell ein ganz spezifisches agiles Organisationsmodell umgesetzt (Seiten 20 bis 29). Die St. Galler Institution hat bereits vor fünf Jahren umgestellt – und zieht jetzt Bilanz: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist hoch und die Entscheide sind nachhaltig.  Titelbild: Mitglieder des Koordinationskreises Pflege und Betreuung der Heime Kriens AG (LU): Die Prinzipien der kollegialen Führung haben einen hohen Stellenwert.  Foto: Marco Zanoni

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