Partizipative Führung hat Zukunft | Magazin ARTISET | 6 2022
ARTISET 06 I 2022 33 Ähnlich wie seit vielen Jahren in den Akutspitälern sollen auch in den über 1500 stationären Pflegeeinrichtungen der Schweiz jährlich national einheitliche Qualitätsindikatoren erhoben und öffentlich publiziert werden. Damit soll, so will es das Krankenversicherungsgesetz, der Qualitätsver gleich in ausgewählten Pflegebereichen ermöglicht werden. Ein Mammutprojekt, das seit vielen Jahren unterwegs ist, mittlerweile ist es auf die Zielgerade eingebogen, aber – noch – nicht am Ziel. Im Jahr 2019 haben die Pflegeeinrichtungen bei ihren insgesamt rund 100000 Bewohnenden erstmals eine Reihe von Daten zwecks Berechnung von sechs Qualitätsindi katoren gesammelt. Das für die Berechnung der Indikatoren und deren Publikation zuständige Bundesamt für Gesund heit verzichtete aber darauf, diese zu publizieren. Fehlende Daten und eine ungenügende Datenqualität verhinderten den beabsichtigten fairen Qualitätsvergleich zwischen den Heimen. Die Ursachen für die Mängel wurden aufgespürt, Verbesserungen bei der Erhebung und Überprüfung der Daten eingeleitet. Trotz solcher Bemühungen ist man aber auch nach der Datenerhebung 2020 nicht dort, wo man sein sollte. Das Bundesamt für Gesundheit hat sich aber dennoch zu einer Publikation entschlossen und diese Mitte Mai auf der BAG-Website aufgeschaltet. Deren Überschrift «Medizinische Qualitätsindikatoren: Aktueller Stand der Daten» macht deutlich, dass es sich dabei um eine vorsich tige Annäherung an den eigentlichen Zweck handelt. Auch kein Vergleich zwischen Kantonen möglich Aufgrund der mangelnden Datenqualität werden die Qua litätsindikatoren nicht für die einzelnen Pflegeheime ausge wiesen, sondern vielmehr zusammengefasst auf der Ebene der Kantone, und zwar sowohl für das Jahr 2019 als auch für das Jahr 2020. Wie das BAG in der Einleitung des Be richts festhält, seien aber auch Qualitätsvergleiche zwischen den Kantonen nicht möglich. Und zwar deshalb, weil die in der Publikation ausgewiesenen Indikatorwerte unberück sichtigt lassen, dass diese nicht nur durch die Pflegequalität, sondern durch weitere Faktoren beeinflusst werden. Zu die sen sogenannten Risikofaktoren auf kantonaler Ebene ge hört etwa die sich zum Teil stark unterscheidende Pflegein tensität. So treten im Unterschied zur Ostschweiz die Betagten in der Romandie oft erst in sehr hohem Alter und mit einer entsprechend hohen Pflegebedürftigkeit in Die Polymedikation unter der Lupe: Die Verschrei- bung respektive Verabreichung von zu vielen Medi- kamenten ist ein generelles Problem der Langzeit- pflege. Die Polymedikation ist einer von sechs nationalen medizinischen Qualitätsindikatoren. Foto: Adobe Stock Die 6 Qualitätsindikatoren Je geringer der Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner bei den folgenden Indikatoren ausfällt, desto besser: Mangelernährung: 1. Prozentualer Anteil an Bewohnern mit einem Gewichts verlust von 5% und mehr in den letzten 30 Tagen oder 10% und mehr in den letzten 180 Tagen. Bewegungseinschränkende Massnahmen: 2. Prozentualer Anteil an Bewohner mit täglicher Fixierung des Rumpfs oder mit Sitzgelegenheit, die die Bewohner am Aufstehen hindern, in den letzten 7 Tagen. 3. Prozentualer Anteil an Bewohnern mit täglichem Ge brauch von Bettgittern und anderen Einrichtungen an allen offenen Seiten des Bettes, welche Bewohnern am selbständigen Verlassen des Betts hindern, in den letzten 7 Tagen. Polymedikation: 4. Prozentualer Anteil an Bewohnern, die in den letzten 7 Tagen 9 und mehr Wirkstoffe einnahmen. Schmerzen: 5. Prozentualer Anteil an Bewohnern, die in den letzten 7 Tagen täglich mässige und mehr Schmerzen oder nicht täglich sehr starke Schmerzen angaben (Selbst einschätzung). 6. Prozentualer Anteil an Bewohnern, die in den letzten 7 Tagen täglich mässige und mehr Schmerzen oder nicht täglich sehr starke Schmerzen hatten (Fremd einschätzung). Die medizinischen Qualitätsindikatoren für die Schweiz in den Jahren 2019 und 2020 Indikatoren 2019 2020 Mangelernährung 6.0 6.4 Rumpffixation / Sitzgelegenheit 2.5 2.7 Bettgitter 10.0 10.9 Polymedikation 45.6 43.2 Schmerz − Selbsteinschätzung 19.4 20.1 Schmerz − Fremdeinschätzung 15.2 16.1 Die Zahlen geben jeweils den prozentualen Anteil der Pflegeheim- bewohnenden an, auf die der Indikator zutrifft.
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