Partizipative Führung hat Zukunft | Magazin ARTISET | 6 2022

44  ARTISET 06 I 2022 Aktuell Synergien daraus hervorgehen können und was ergänzend aufgebaut werden soll», sagt Neuhäusler. Die Zusammenar- beit mit der Spitex sieht auch Gemeindepräsidentin Maissen mit Wohlwollen. «Dass die Spitex damit ein neues Ge- schäftsfeld erschliessen konnte, kommt der Region zugute.» Zu den Grundleistungen im Betreuten Wohnen können zusätzliche Serviceleistungen bestellt werden, deren Koor- dination ebenfalls zum Angebot «Wohnen» der Spitex ge- hören, welche die Anfragen mit ortsansässigen Dienstleis- tern abstimmt. «Besteht Bedarf für technischen Support, Wäscheservice oder die Bestellung des Mittagessens, über- nimmt die Spitex eine Rezeptionsfunktion», sagt Neuhäus- ler. Um die Verpflegung kümmert sich die Gastronomie des benachbarten Regionalspitals. «Die ‹Residenza St. Joseph› ist zudem zentral gelegen, was wiederum mehr Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht», ist Maissen überzeugt. Lokale Vernetzung Damit der Übergang zwischen Privatsphäre und gesellschaft- lichem Leben fliessend ist, werden in den Mehrgeneratio- nen-Wohnprojekten der Sammelstiftung Vita jeweils im Erdgeschoss öffentlich zugängliche Innenräume eingeplant. Die Spitex Foppa ist als Betreiberin verantwortlich für die Organisation von Events, für die Vermietung der Räumlich- keiten und die Förderung nachbarschaftlicher Kontakte. «Die Erfahrung zeigt, dass es eine konstante, moderierte Plattform für einen lebhaften Austausch braucht», resümiert Neuhäusler. Bei jedemNeubau werden generationengerechte Aussenräume mitgedacht, denn auch dort sollen sich Jung und Alt begegnen können. Grillstellen, Sitzgelegenheiten und spielerisch nutzbare Elemente sprechen verschiedene Nutzergruppen an und tragen so zu altersgemischten Sozi- alräumen bei. «Wir richten uns in der Qualität unserer Bau- ten nach den Kriterien des LEA-Labels, ‹Living Every Age›. Grundsätzlich sind die Wohnungen für Menschen aller Al- tersgruppen ausgerichtet.» Im direkten Zusammenleben lerne man viel voneinander, ist Carmelia Maissen überzeugt, «auch Junge profitieren von älteren Generationen». Alle Generationen könnten demnach aus der «Residenza St. Joseph» ihren Nutzen ziehen, der Bedarf an neuen, zeit- gemässen Wohnformen nimmt allerdings insbesondere für Seniorinnen und Senioren laufend zu. Das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass sich die Zahl der über 80-Jäh- rigen in den Jahren 2020– 2050 mehr als verdoppelt. Anstatt 0,45 Millionen werden dann rund 1,11 Millionen Senioren auf altersgerechte Wohnformen angewiesen sein. Der Zu- wachs der über 65-Jährigen wird in demselben Zeitraum von 1,64 Millionen auf 2,67 Millionen hochgerechnet; auch in diesem Alterssegment ein signifikanter Zuwachs, gekop- pelt an entsprechende Bedürfnisse. Demografische Herausforderung «Gerade in ländlichen Gebieten wie der Surselva nimmt der Anteil älterer Menschen massiv zu», beobachtet auch die Ilanzer Gemeindepräsidentin. Eine Tatsache, die neuer Lö- sungsstrategien bedarf und den Kanton Graubünden zum Vorreiter im Bereich «Wohnen im Alter» gemacht hat. «Auf- grund der demografischen Verschiebung der Altersgruppen wurden bereits vor vielen Jahren Grundlagen für Betreutes Wohnen erarbeitet, auf die wir uns bei der Realisierung der ‹Residenza St. Joseph› beziehen konnten», erklärt Neuhäusler. Ein definierter Anforderungskatalog gab Hinweise darauf, was Betreutes Wohnen beinhalten muss. Auch dahingehend, dass Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, ebenfalls in der «Residenza» wohnen können. Die Mietpreise seien so kalkuliert, dass Personen mit unterschiedlichen Budgets angesprochen würden. «In Ilanz orientierte sich die Nachfrage allerdings klar da- ran, wie zentral die Wohnungen gelegen sind und was über die Wohnung hinaus angeboten wird. Unterstützungsleis- tungen in den eigenen vier Wänden nach Bedarf beziehen zu können und dabei autonom zu leben, wird beim Älter- werden immer beliebter.» Nicht nur auf der Beliebtheitss- kala von möglichen Wohnformen im Alter haben Mehrge- nerationen-Wohnprojekte an Aufmerksamkeit gewonnen: In der Regel ist es die günstigere Variante, als in ein Alters- und Pflegeheim mit einem Vollversorgungspaket einzutre- ten. «Betreuung in Pflegeheimen ist immer mit hohen Kos- ten für die jeweiligen Gemeinden verbunden», führt Maissen aus, «ökonomisch macht es mehr Sinn, wenn zum Beispiel die Spitex die Betreuung übernimmt und das Essen geliefert wird.» Der Bau der «Residenza St. Joseph» hat aber auch kritische Stimmen laut werden lassen: Wird es nicht teurer für Ilanz, wenn alle Seniorinnen und Senioren nun deshalb in die Zentrumsgemeinde ziehen? Maissen versteht diese Bedenken, hat sie sich gut durch den Kopf gehen lassen. «Einerseits ziehen tatsächlich mehr Senioren und Seniorinnen nach Ilanz. Andererseits zahlen sie Steuern und konsumieren Dienstleistungen vor Ort oder sie engagieren sich mit Frei- willigenarbeit, so hält sich diese Rechnung wohl am Ende die Balance.»  Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit der Sammelstiftung Vita realisiert «Die Mietpreise sind so kalkuliert, dass Menschen mit unterschied­ lichen Budgets in der ‹Residenza› wohnen können, auch Personen, die EL beziehen.» Doris Neuhäusler, Projektleiterin der Sammelstiftung Vita

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