Partizipative Führung hat Zukunft | Magazin ARTISET | 6 2022

52  ARTISET 06 I 2022 Aktuell Es steht fest, dass die Zahl der Menschen mit Demenz in der Schweiz in den nächsten Jahren steigen wird. Um das Gesundheitssystem auf diese Herausforderung vorzuberei­ ten, legt die nationale Politik den Schwerpunkt auf die Früh­ erkennung und eine angemessene Unterstützung der Ange­ hörigen. Die Strategie des Bundes: Je früher die Diagnose erfolgt, desto besser kann man sich darauf einstellen. Denn eine frühzeitige Abklärung begünstigt die Selbstständigkeit, die Organisation einer Betreuung und einen längeren Ver­ bleib zu Hause. «Zuerst muss man sich bewusst sein, dass es heute keine Heilung gibt», sagt dazu Barbara Lucas, Pro­ fessorin an der Hochschule für Soziale Arbeit (Haute école de travail social HETS) und Co-Autorin der Studie (siehe Kasten). Nach einer Demenzdiagnose verfolgt das Pflege­ personal deshalb eine nicht medikamentöse Therapie und die Unterstützung der Angehörigen. «In der Schweiz sind sich die Experten einig, wie eine Demenzdiagnose am besten durchzuführen ist. Wenig be­ kannt hingegen sind die tatsächlichen Herausforderungen in der Praxis. Mit unserem Projekt wollten wir über diesen Konsens hinausgehen», sagt Barbara Lucas. Ziel der Studie war darum, die Diagnoseverfahren in der Schweiz, die Un­ terschiede der kantonalen Strategien und die ethischen Fra­ gen aufzuzeigen, mit denen die Fachkräfte in ihrem Alltag konfrontiert sind. Zu diesem Zweck führten die Studien­ teams der Genfer Fachhochschule und der Universität eine kantonsweite Online-Umfrage bei Einrichtungen durch, die auf die Früherkennung von Demenz spezialisiert sind. Hin­ zu kamen Fallstudien in den Kantonen St. Gallen, Tessin, Waadt und Zürich, die eine Demenzstrategie verabschiedet haben. Barbara Lucas: «Im Rahmen dieser vier Studien ana­ lysierten wir die öffentliche Politik und untersuchten die praktischen und ethischen Dilemmata, die von den Fach­ personen in Memorykliniken genannt wurden.» Für die kantonalen Studien wurden sehr konkrete Fragen gestellt, etwa die nach demUmgang mit dem Führerausweis. «Das Gesundheitspersonal in Memorykliniken steht im All­ tag oft vor der Situation, dass es die Fahrtüchtigkeit einer Person beurteilen muss. Diese Abklärung kann in gewissen Fällen zu einer Demenzdiagnose führen. Dies bringt die Personen, die für die Diagnose verantwortlich sind, in eine schwierige Situation gegenüber der betroffenen Person», sagt Barbaras Lucas. Wer die Diagnose gestellt hat, kann den betroffenen Personen keine angemessene Unterstützung an­ bieten, da es kein geeignetes Angebot gibt. «Erstaunlicher­ weise wird der Bedarf eines Unterstützungsangebots für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wenig the­ matisiert.» Zusammenarbeit von Pflege- und Sozialbereich Laut Umfrageergebnissen besteht eine enge Zusammenar­ beit zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen. «Zwischen den Netzwerken des So­ zial- und des Pflegebereichs hingegen besteht ein grosses Was, wenn eine Demenz diagnostiziert wird? In Genf befassten sich die Hochschule für Soziale Arbeit und die Universität mit der Demenzdiagnose im Gesundheits- und Sozialwesen. Der Schwerpunkt lag auf den kantonalen Unterschieden und den aufgeworfenen ethischen Fragen. Die Erkenntnisse sollen helfen, Prioritäten für eine bessere Demenzpolitik zu setzen. Von Anne Vallélian

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQzMjY=