12 ARTISET 06 I 2023 Alter und Behinderung oder Alter und Drogenabhängigkeit. Sie forschen seit 15 Jahren zu Innovation in der Sozialen Arbeit. Hat Sie ein Ergebnis überrascht? Nicht eigentlich überrascht. Aber es machte mich betroffen zu beobachten, wie ein Innovationsprozess, in den viel Geld investiert wurde, zu einem sehr bescheidenen Ergebnis führt. Nicht weil keine gute Idee darin steckte oder weil das Fachwissen nicht ausreicht, sondern weil die falschen Personen zusammenarbeiteten, keine ausreichende Durchschlagskraft gesucht wurde oder Vorgaben einer Verwaltung wichtige Schritte blockierten. Braucht es deshalb auch ein Förderprogramm zur Weiterentwicklung von Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich? Ja, um Entwicklung im Gesundheits- und Sozialbereich voranzutreiben, braucht es Geld. Es muss investiert werden, es braucht «Risikokapital», denn zu entwickeln heisst auch, möglicherweise zu scheitern. Der Innovation Booster «Co-Designing Human Services» bietet eine wichtige Anschubhilfe in diesem Sinn. In den Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens und in der Zusammenarbeit mit Nutzerinnen und Nutzern sozialer Dienste gibt es ein grosses Potenzial für Entwicklung, und es ist schade, wenn diese keinen Ort hat oder nicht zum Fliegen kommt. Hilft es, solches Wissen auch in die Ausbildung junger Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen einzubringen? Unbedingt. Kompetenz zur Innovation ist wichtig, und die Frage lautet: Wie kann ich mich aus meiner Arbeit heraus aktiv an der Entwicklung der Sozialen Arbeit beteiligen? Es geht hier um die Mitarbeit in Projekten, aber auch darum, die Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis fruchtbar zu machen, was insbesondere im Masterstudium vermittelt wird. Es geht darum, dass Soziale Arbeit das Wissen aus Forschung, Praxis und den Erfahrungen betroffener Personen nutzt, um zu gestalten. Es ist sehr wichtig, dass man einen guten Boden schafft für neuartige Entwicklungen: Dass man eine gute Idee gut einfädelt, rechtzeitig kommuniziert und überlegt, wer das Projekt unterstützen, aber auch, wer es kippen könnte. Welche Probleme werden uns künftig besonders beschäftigen? Soziale Arbeit befasst sich seit je mit sozialen Ungleichheiten. Auch künftig werden uns Fragen rund um Armut, Zugang zu Arbeit und Erwerbstätigkeit sowie angemessene soziale Sicherung beschäftigen. Ein wichtiger Entwicklungsbedarf ist bereits zur Sprache gekommen: Es sind die gesellschaftlichen Veränderungen und sozialen Probleme, die sich aufgrund einer alternden Gesellschaft ergeben. Ein anderes Thema ist die Koordination bereits bestehender spezialisierter Dienste im Sozial- und Gesundheitswesen. Hier geht es um Fragen rund um integrierte Dienste und Leistungen. Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass sich gewisse Entwicklungsbedarfe und -möglichkeiten auch aufgrund neuer Forschungserkenntnisse ergeben. Sie erlauben es, soziale Fragestellungen genauer und wirksamer anzugehen. Was möchten Sie Fachleuten aus dem sozialen Bereich mitgeben? Schafft euch Platz, denkt mutig, bündelt eure Kräfte! Ressourcen zusammenzulegen, bedeutet auch mehr Hebelkraft bei Entwicklungen und Veränderungen. Dabei muss man das Rad nicht immer neu erfinden; man kann Innovatives auch übernehmen, anpassen und voneinander lernen. Fachpersonen, Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Diensten, Bürgerinnen und Bürger und Forschende sollten sich zusammentun und gemeinsam herausfinden, was nötig und möglich ist. In der Sozialen Arbeit steckt noch viel Potenzial für Innovationen. * Prof. Dr. Anne Parpan-Blaser ist Dozentin am Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW. Sie engagiert sich im Management Board des Innovation Booster des Schweizerischen Vereins zur Förderung der sozialen Innovation. ➞ zusammenhalt.ch ➞ innovationsociale.ch «In den Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens geschieht Entwicklung, und es ist schade, wenn diese nicht zum Fliegen kommt.»
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