Innovationen entwickeln und umsetzen

22 ARTISET 06 I 2023 am häufigsten verwendeten Wörter. Für die Vervollständigung des Basiswortschatzes zog das Team die Eltern und Angehörigen bei. Zudem stützte es sich auf die Arbeiten von Isaac Francophone, einer international tätigen und auf unterstützte Kommunikation spezialisierten Organisation. «Es ist unglaublich, was man mit 24 Bildern alles erzählen kann!», sagt Jean-Michel Ripoli begeistert. Ein Basiswortschatz plus Aktivitäten Die Piktogramme des Fächers findet man auch auf zwei A4-Blättern zu je zwölf Piktogrammen, die auf den Tischen im Esssaal und auf den Rollstuhltabletts kleben. Neben dem Basiswortschatz gibt es weitere Piktogramme, die sich für spezifische Aktivitäten wie Musik, Guetsli backen, Gartenarbeit oder für Spiele eignen oder auf die individuelle Situation der einzelnen Kinder zugeschnitten sind. Damit dieser Bilderwortschatz unabhängig von den motorischen, kognitiven oder sensitiven Fähigkeiten jederzeit für alle zugänglich ist, bestimmt das pädagogische Team für jedes Kind seine bevorzugte Kommunikationsform. Anschliessend definiert es, welches Material für das Kind ständig in Griffnähe sein muss. «Die Vokalisation und Handzeichen sind die einfachsten Formen, man hat sie immer dabei. Braucht ein Kind aber die Piktogramme, um sich ausdrücken zu können, müssen wir darauf achten, dass es diese immer zur Hand hat», erklärt der Ergotherapeut. Der Mann, den Marc Gance «GéoTrouvetou» nennt, hat immer für jede Situation eine Lösung. Er ist verantwortlich für die elektronischen Hilfsmittel und verwaltet und programmiert diese auch. So hat jedes Kind sein eigenes taktiles Tablet mit dem Basiswortschatz, spezifischen Piktogrammen und Sprachsynthese. Einige haben auch einen Computer mit visueller Kontrolle. «Man muss kreativ sein und die Kinder gut kennen. Aber vor allem schafft man es nicht allein. Es ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.» Der Schlüssel: lernen am Modell Trotz des grossen und langjährigen Engagements hat sich die Sprache im Alltag noch nicht durchgesetzt. «Seit Jahren stellen wir den Kindern Hilfsmittel zur Entwicklung einer neuen Sprache zur Verfügung. Aber in ihremUmfeld spricht diese kaum jemand.» Im Jahr 2018 nahm Jean-Michel Ripoli an einem Kongress von Isaac Francophone in Freiburg teil. Und hier offenbarte sich ihm die Lösung: lernen amModell! «In der Regel entwickeln sich Kinder von Geburt an durch Nachahmung. Sie warten nicht bis zur Schule, um eine Sprache zu lernen. Hier müssen wir unabhängig von der Auffassungsgabe der Kinder genau das Gleiche tun», sagt Jean-Michel Ripoli. Es soll ein gemeinsames «Kommunikationsbad» entstehen, indemman alle, die mit den Kindern kommunizieren, zur täglichen Verwendung der Piktogramme als gemeinsame Sprache verleitet. «Man muss mit dem Beispiel vorangehen und systematisch auf die Piktogramme als Untertitel unserer gesprochenen Sprache zeigen. Die Resultate stellen sich nicht sofort ein, es kann Monate dauern, aber man darf sich nicht entmutigen lassen.» Für den Einsatz der Piktogramme gibt es strategisch gute Momente: während der Betreuungszeit amMorgen oder am Abend; wenn das Kind Wahlmöglichkeiten hat, wie zum Beispiel beim Essen oder Musikhören. Damit die Kinder eine Chance bekommen, die für sie verwendbaren Wörter zu erkennen, muss man diese ständig zeigen. Es muss zur Alltagsroutine werden. Das ist noch nicht ganz geschafft, sagen Marc Gance und Jean-Michel Ripoli. Aber der Kommunikationsfächer wird mehr und mehr ein Arbeitsmittel der Stiftung, und die Teams der verschiedenen Zentren arbeiten vermehrt bereichsübergreifend. Sie fördern die Kontinuität des Hilfsmittels während der Entwicklung der Kinder von ihrer Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Auch ausserhalb von Clair Bois stösst der Kommunikationsfächer auf Interesse. Andere Institutionen für Menschen mit Behinderung verwenden ihn, Elternvereinigungen in Förderschulen und einige Alterspflegeheime für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Für Spitäler wurde eine spezielle Ausführung mit 14 Piktogrammen entwickelt, um die Kommunikation mit dem Pflegepersonal und der Ärzteschaft zu erleichtern. Der speziell für Spitäler entwickelte Kommunikationsfächer zählt 14 Karten mit Piktogrammen. Foto: amn

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