Innovationen entwickeln und umsetzen

ARTISET 06 I 2023 39 grad solcher Systeme – wenn überhaupt vorhanden – noch nicht ausgereift ist. Ergebnis des Forschungsprojekts soll ein Standardleitfaden sein, welcher sowohl methodische als auch inhaltliche Empfehlungen und Vorlagen zum Aufbau und zur Führung eines ganzheitlichen Risikomanagement-Systems in Pflegeeinrichtungen – unabhängig von Grösse und Trägerschaft – in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) beinhaltet. Unterstützend wird eine mobile App programmiert, welche die wichtigsten Inhalte und Vorlagen in komprimierter Form zur Verfügung stellt. Antizipieren künftiger Veränderungen In einem ersten Schritt des Forschungsprojekts erfolgt anhand Experteninterviews mit Institutionsleitungen aus der DACH-Region eine zusammenfassende Darstellung der bereits existierenden Risikomanagement-Systeme in Institutionen. Basierend auf diesen Ergebnissen wird eine Benchmarking-­ Datenbank mit Best-Practice-Ansätzen aufgebaut. In einem zweiten Schritt wird auf Basis der Erkenntnisse der ersten Projektphase ein Konzept mit einer Einführungsmethodik für ein ganzheitliches Risikomanagement in stationären Pflegeeinrichtungen erarbeitet und validiert. Die dritte und abschliessende Projektphase beinhaltet im Anschluss die Programmierung der unterstützenden mobile App mit den Erkenntnissen, Modellen und Best-Practice-Ansätzen aus den beiden ersten Projektphasen. Die Experteninterviews mit Institutionsleitungen aus der Ostschweiz, aus Süddeutschland und dem Vorarlberg haben ein eindeutiges Bild ergeben: Die bestehenden Risikomanagement-­ Systeme sind in den meisten Fällen nicht sehr fortgeschritten und oftmals reaktiv ausgestaltet. Bezeichnend hierfür ist folgende Aussage eines Interviewpartners: «Bei uns besteht das Risikomanagement mehr aus Bauchgefühl als aus systematischen Prozessen.» Häufig werden auch das Qualitätsmanagement und die Vermeidung alltäglicher pflegerischer Gefahren wie beispielsweise dieSturzprofilaxe alsRisikomanagement-­ System angesehen. Qualitätsmanagement an sich leistet mit der Schaffung von Standards und Kontrollen einen Beitrag zum ganzheitlichen Risikomanagement. Unberücksichtigt bleiben dabei aber beispielsweise Umweltveränderungen, strategische Risiken, finanzielle Risiken, regulatorische Veränderungen und Makrotrends. Auch ein mehrfach erwähntes Internes Kontrollsystem (IKS) ist lediglich als Bestandteil eines ganzheitlichen Risikomanagement-Systems anzusehen, da insbesondere das Antizipieren zukünftiger Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Institution und dessen Strategie nicht einbezogen werden. Die zu Beginn aufgestellte Hypothese eines tiefen ProfessionalisierungsgradesvonRisikomanagement-Systemen in Pflegeheimen wird aufgrund der geführten Experteninterviews bestätigt und zeigt entsprechenden Handlungsbedarf auf. Ein einheitliches Verständnis schaffen Aus den gewonnenen Erkenntnissen entwickelte das Forschungsteam unter der Führung der OST einen Leitfaden sowie einen Prototyp der unterstützenden mobile App. Rund 40 Personen mit Leitungsfunktionen in Pflegeeinrichtungen aus der DACH-Region diskutierten die vorläufigen Ergebnisse anlässlich eines Symposiums im Februar 2023 an der OST in St. Gallen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkannten den Mehrwert eines ganzheitlichen Risikomanagement-Systems für ihre Institution, wiesen aber berechtigterweise darauf hin, dass für die erfolgreiche Einführung ein einheitliches Verständnis von Risikomanagement über alle Hierarchiestufen geschaffen werden müsse. Ebenfalls als zentraler Erfolgsfaktor werden praxisnahe Hilfsmittel, Risikokataloge, Vorlagen und Checklisten angesehen. Auch diese Erkenntnisse fliessen in die weiteren Arbeiten des Forschungsteams der OST ein. Die Publikation der Ergebnisse sowie die Veröffentlichung der mobilen App erfolgen im Herbst 2023. Risikomanagement – mehr Aufwand oder mehr Wert? Wie auch bei einigen Experteninterviews erkennbar war, wird das Risikomanagement teilweise als mühsam oder gar unnötig betrachtet. Unter einer solchen Prämisse kann das Instrument kaum einen Mehrwert für eine Institution generieren. Studien in diesem Zusammenhang zeigen eindeutig auf, dass die Gründe für die Einführung eines Risikomanagement-Systems entscheidend für den Mehrwert sind. Während bei extrinsischen Treibern, wie beispielsweise regulatorischen Anforderungen, die Ausführenden zu Inkonsistenz tendieren, stiften intrinsische Überzeugungen einen signifikant höheren Nutzen, was sich insbesondere auf einen kontinuierlichen und konsistenten Prozess innerhalb der Organisation zurückführen lässt. Ebenfalls stark ausschlaggebend für den Mehrwert im Risikomanagement wird der Einsatz einer spezialisierten Software zur effizienten Ausführung des Prozesses angesehen. * Simon Steiger ist Marktleiter Funk Viva und Mitglied im erweiterten Projektteam. Ein ganzheitliches Risikomanagement berücksichtigt auch Umweltveränderungen, strategische und finanzielle Risiken, regulatorische Veränderungen und Makrotrends.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2NjEzOQ==