Das Leben selbst bestimmen | Magazin ARTISET 6-2024

ARTISET 06 I 2024 19 Anzeige Weiterbildungsstudiengang zur Stärkung der Expertise im Pflegeheim: Klinische Fachverantwortung in der Geriatrie Start im September 2024 Aufgrund dieser Verschiebung zeichnet sich ein Umbau der Organisation ab, der den Verantwortlichen und den Fachpersonen eine hohe Flexibilität abverlangt. Eingespielte Prozesse dürften über kurz oder lang nicht mehr funktionieren, zudem fallen längerfristig Einnahmen weg. Eine Herausforderung werde es auch sein, wie Sven Stückmann zu bedenken gibt, trotz der neuen Angebote auch ein vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen im ergänzenden Arbeitsmarkt aufrechterhalten zu können. «Es wird immer Menschen geben, die sich im geschützten Bereich am besten aufgehoben fühlen und auch in diesem Bereich Wahlmöglichkeiten brauchen.» Durchlässigkeit ermöglicht Entwicklung Die breiter werdende Vielfalt an Arbeitsangeboten für Menschen mit Behinderung eröffnet neue Perspektiven respektive die Möglichkeit, sich zu verändern und weiterzuentwickeln. Das Beispiel vom Samira Mathys etwa, die sowohl im ergänzenden als auch im regulären Arbeitsmarkt tätig sein kann, ist kein Einzelfall. Und: Ein Jugendlicher, der eine Ausbildung im geschützten Bereich macht, hat die Möglichkeit, über einen Inklusionsarbeitsplatz definitiv im allgemeinen Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auch im Bereich Wohnen liegt der Fokus auf Veränderung und Entwicklung. Die Institution begleitet dabei seit vielen Jahren über 60 Menschen mit Behinderung in Institutions-eigenen Wohnungen mit unterschiedlicher Betreuungsintensität: Von der 24-Stunden-Betreuung über die Betreuung morgens und abends bis hin zu Wohnungen, wo nur noch am Abend eine Fachperson vorbeikommt. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die meisten haben eine psychische Behinderung, werden ermuntert, ihren Haushalt zunehmend selbst zu führen – und an einen weniger betreuten Platz zu wechseln. Zudem haben sie auch die Möglichkeit, in eine selbst gemietete Wohnung zu ziehen, wo er oder sie aufgrund der aktuellen Finanzierungsmodalitäten dann allerdings nur wenige Stunden pro Woche von einer Fachperson begleitet werden kann. Derzeit unterstützt die Altra, die auf sozialpsychiatrische Begleitung spezialisiert ist, acht Personen in ihren eigenen Wohnungen. Künftig dürften es mehr werden – und zwar aufgrund einer angekündigten neuen kantonalen UN-BRK-Strategie, dank der auch in den eigenen vier Wänden die nötige Zahl an Betreuungsstunden finanziert wird. Die Organisation mitgestalten Alle diese Veränderungsprozesse erfordern Begleitung vonseiten der Fachpersonen, wie Anderegg und Stückmann betonen. Dazu gehört, dass die Menschen eine neue Wohnform oder auch ein neues Arbeitsangebot einfach mal ausprobieren können, um die jeweiligen Vor- und Nachteile kennenzulernen. Anders als die frühere Förderplanung erfolge diese unterstützende Begleitung in einem partizipativen Prozess. Anderegg: «Wir begegnen einander auf Augenhöhe, versuchen herauszufinden, was sich jemand wünscht, was er oder sie dafür mitbringt und welche Unterstützung wir leisten können.» Seit 2017 bereits sind die begleiteten Menschen zudem eingeladen, ihre Wünsche und Anliegen zur Weiterentwicklung der ganzen Organisation im Rahmen eines Inklusionsrates einzubringen. Der 15 Personen zählende Rat besteht zu zwei Dritteln aus Menschen mit Behinderung und zu einem Drittel aus Fachpersonen. Anderegg: «Auf diese Weise wollen wir als Organisation lernen, was es braucht, um auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten.» An jährlich zwei gemeinsamen Sitzungen mit der Geschäftsleitung bringt der Inklusionsrat seine Anliegen ein. Eine wesentliche Erkenntnis aus dem gemeinsamen Austausch sei etwa, wie wichtig es ist, Informationen in leichter respektive einfacher Sprache aufzubereiten und für den Meinungsbildungsprozess genügend Zeit einzuräumen. Zudem habe sich sehr bewährt, dass die im Inklusionsrat teilnehmenden Menschen mit Behinderung eine Weiterbildung für Selbstvertretende besuchen, um zu lernen, sich aktiv für die eigenen Interessen einzusetzen. Einzelne haben dann noch weitere Kurse besucht bis hin zu einer Weiterbildung als Peer. Anderegg: «Wir würden uns wünschen, dass eine noch grössere Anzahl Interesse an solchen Weiterbildungen hat.» Konkret hat der Inklusionsrat etwa im Rahmen der Neupositionierung des Unternehmens an der Erarbeitung eines neuen Leitbildes mitgewirkt. Über den Inklusionsrat hinaus beteiligten sich an diesem Prozess in inklusiven Arbeitsgruppen auch weitere Menschen mit Behinderung. Die Entwicklung des Leitbilds habe aufgrund dieses Vorgehens, so Sven Stückmann, zwar länger gedauert, aber zu einem Resultat geführt, hinter dem alle stehen können – und das auch alle verstehen. «Das Leitbild und ein ergänzendes Video haben in der gesamten Belegschaft eine sehr hohe Akzeptanz.» Im Fokus

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