Das Leben selbst bestimmen | Magazin ARTISET 6-2024

ARTISET 06 I 2024 33 Aktuell «Sie dienen der internen Reflexion und sind für mich sehr relevant für das Bewusstsein der Fachlichkeit», sagt Marlies Petrig, Leiterin Health Care Services des KZU in Bassersdorf. Es gehe um zentrale Fragen, die das Wohlbefinden der Bewohnenden betreffen: «Haben die Bewohnenden Schmerzen? Montieren wir ein Bettgitter mit der gebotenen Sorgfalt? Oder: Steht bei uns der Medikamentenschrank allzu weit offen?» Für Lucia Schenk, wissenschaftliche Mitarbeiterin Pflege und Therapie im Burgdorfer Zentrum Schlossmatt, ist es wichtig, dass Pflegende nicht nur ihr Gefühl sprechen lassen, sondern auch «lernen, in Zahlen zu denken». Nur auf diese Weise liessen sich Qualitätsverbesserungen datenbasiert belegen. Und vonseiten RPSA La petite Boissière in Genf unterstreicht Pflegedienstleiterin Anne Plissart: «Wir haben eine umfassende Vision der Verbesserung, die Entwicklung der Pflege mittels Indikatoren ist seit vielen Jahren ein wichtiger Teil davon.» Vergleichbarkeit erfordert hohe Datenqualität Während die Vertreterinnen der drei Heime überzeugt sind von der Arbeit mit Indikatoren, relativieren sie die Bedeutung einer nationalen Statistik. Ende Februar hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erstmals medizinische Qualitätsindikatoren auf Heimebene veröffentlicht, Grundlage sind die Daten des Jahres 2021. Alle drei Pflegeinstitutionen weisen im Vergleich mit den kantonalen Durchschnittswerten gute oder sogar sehr gute Werte aus, wobei RPSA La petite Boissière gemeinsam mit den zwei anderen Standorten der RPSA-Gruppe aufgeführt ist. Anne Plissart sieht in der nationalen Erhebung vor allem eine Sensibilisierung all jener Institutionen, die bislang noch kaum mit MQI gearbeitet haben. Marlies Petrig vom KZU Kompetenzzentrum Pflege und Gesundheit versteht durchaus, dass der Bund vor dem Hintergrund eines national definierten Katalogs an Pflegeleistungen die Qualität messen will. Und: «Es ist auch nicht schlecht zu sehen, wo man im kantonalen Vergleich steht und sich zu fragen, wie sich die eigenen Daten erklären.» Wichtig aber sei, so Petrig, dass die publizierten Daten nicht dafür verwendet werden, Ranglisten zu erstellen, sondern einzig dem internen Qualitätsverbesserungsprozess dienen. Petrig begründet dies damit, dass die Zusammensetzung der Bewohnenden die Indikatorwerte beeinflussen kann. Zudem seien die betrieblichen Verhältnisse sehr unterschiedlich: «Es ist zum Beispiel viel leichter möglich, bei der Polymedikation tiefe Indikatorwerte auszuweisen, wenn ein Heim eigene Ärzte anstellen kann und nicht mit zahlreichen Hausärzten gefordert ist, die über wenig Zeitressourcen verfügen.» Lucia Schenk, Marlies Petrig und Anne Plissart monieren zudem Unregelmässigkeiten bei der Erhebung der Daten oder auch unterschiedliche Erhebungspraktiken, was die Vergleichbarkeit der Indikatorwerte einschränke. Kodierprobleme machen sie bei den drei Messthemen Mangelernährung, Polymedikation und Schmerzen aus. Eher unproblematisch zu erheben sind die bewegungseinschränkenden Massnahmen. Zwecks künftiger Verbesserung der Datenqualität setzen die drei Heimvertreterinnen auf das laufende «Nationale Implementierungsprogramm – Qualität in der Langzeitpflege in Alters- und Pflegeheimen 2022–2026», kurz NIP-Q-Upgrade genannt. Regelmässige Analyse der Indikatorwerte Einen Mangel der Ende Februar erstmals publizierten Statistik sehen die Expertinnen auch darin, dass diese auf einer Datengrundlage beruht, die mehrere Jahre zurückliegt. Die Situation in einem Heim und auch die Indikatorwerte haben sich über diesen langen Zeitraum mit hoher Wahrscheinlichkeit verändert. Mit der künftig jährlichen Publikation dürfte sich die Lücke langsam schliessen. Der nächste nationale Bericht, basierend auf den Daten 2022, ist für Ende dieses Jahr geplant. Um den internen Qualitätsverbesserungsprozess voranzubringen, sind gemäss den Pflegeverantwortlichen selbst jährliche Beobachtungsperioden eine zu lange Zeit. Sie extrahieren die Indikatorwerte vielmehr alle drei bis sechs Monate aus den entsprechenden Erfassungstools. Alle drei Pflegeheime verfolgen dabei für ihre internen Analysen neben den nationalen Messthemen weitere Indikatoren, die sie für ihre Institution als besonders nützlich empfinden: RPSA La petite Boissière hat zusätzlich «Wir haben eine umfassende Vision der Verbesserung, die Entwicklung der Pflege mittels Indikatoren ist seit vielen Jahren ein wichtiger Teil davon.» Anne Plissart, Pflegedienstleiterin RPSA La petite Boissière in Genf

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2MjQyMg==