ARTISET 06 I 2024 35 Zusammenarbeit mit Pflegeexpertinnen Um auf der Ebene der Bewohnenden gute Arbeit leisten zu können, geht das KZU folgendermassen vor: Die Indikatordaten gehen viertel- oder halbjährlich an die Pflegeexpertinnen, die jeweils für eine oder zwei Abteilungen zuständig sind. «Die Daten müssen klar adressiert sein und von Fachpersonen bearbeitet werden, die diese Daten auch wirklich verstehen», erläutert Petrig die «konsequente Zusammenarbeit mit Pflegeexpertinnen». In gemeinsamen Besprechungen mit einem vom Heim angestellten Arzt oder einer Ärztin werde dann in jedem einzelnen Fall nach Erklärungen gesucht – und mögliche Verbesserungen eingeleitet. «Es interessiert mich nicht so sehr, wie hoch ein Indikatorwert ausfällt, wichtig ist vielmehr, ob jeder einzelne Fall wirklich begründet ist», sagt Petrig. Aufgrund komplexer gesundheitlicher Situationen könne es nämlich sein, dass ein Heim auch mal höhere Werte hat. Über die laufenden Bemühungen hinaus nimmt das KZU auch immer wieder mal ein übergeordnetes Projekt an die Hand: Derzeit finden etwa interne Audits statt, um zu prüfen, ob die bewegungseinschränkenden Massnahmen «state-of-the-art entschieden, dokumentiert und evaluiert werden». Ganz ähnlich ist das Vorgehen auch bei RPSA La petite Boissière in Genf und dem Zentrum Schlossmatt in Burgdorf. Alle drei Monate, so Anne Plissart, werden die Indikatorwerte gemeinsam mit Pflegeexpertinnen analysiert und falls nötig Verbesserungen eingeleitet. «Am Ende jedes Quartals schaue ich mir die Indikatorwerte an und informiere die einzelnen Teams», schildert Lucia Schenk das Vorgehen. Die Teams analysieren dann mit Unterstützung von Pflegeexpertinnen jeden einzelnen Fall. Darüber hinaus finden monatliche Treffen der Arbeitsgruppe Pflegequalität statt, in der unter anderem auch Auffälligkeiten bei den Indikatorwerten zur Sprache kommen. Besonderes Augenmerk: Polymedikation Wie gerade auch die erste nationale Statistik deutlich macht, ist der Anteil der Bewohnenden, die viele respektive zu viele Medikamente einnehmen, in einem grossen Teil der Heime hoch. Im schweizweiten Durchschnitt sind es etwa 42 Prozent der Bewohnenden, die täglich neun Wirkstoffe und mehr zu sich nehmen. Dem Indikator Polymedikation muss deshalb die besondere Aufmerksamkeit der Pflegeverantwortlichen gelten. In Genf ist dazu letztes Jahr sogar ein kantonales Pilotprojekt lanciert worden, an dem mit «Les Charmilles» auch der grösste Standort der RPSA-Gruppe teilgenommen hat. Mittlerweile werden die Massnahmen in allen drei Standorten der RPSA- Gruppe umgesetzt: Gemeinsam mit dem für das Heim zuständigen Arzt oder der zuständigen Ärztin prüft eine klinische Pharmazeutin in regelmässigen Abständen die Medikation der Bewohnenden. «Im Rahmen des Pilotprojekts konnte die Medikation deutlich reduziert werden», sagt Anne Plissart. Bei der flächendeckenden Umsetzung erweise sich jetzt aber die Zusammenarbeit mit den individuellen Hausärzten und Hausärztinnen der Bewohnenden als Herausforderung. Im Zentrum Schlossmatt in Burgdorf ist der Anteil der Bewohnenden mit Polymedikation reduziert worden, indem die Teams der einzelnen Abteilungen die Medikation der Bewohnerinnen und Bewohner alle drei Monate konsequent überprüfen – und gemeinsam mit der Heimärztin entsprechende Massnahmen besprechen. «Die gesundheitliche Situation verändert sich laufend, und deshalb braucht es eine kontinuierliche Anpassung der Medikamente», sagt Lucia Schenk. Mit den Hausärztinnen und Hausärzten lassen sich die Medikamente nicht so rasch anpassen. Die individuellen Ärzte seien aufgrund ihrer knappen Ressourcen im Übrigen froh, wenn sie durch die Heimärztin entlastet sind. Ähnlich funktioniert es im KZU, wie Marlies Petrig erläutert: «Wir haben auch bei uns die freie Arztwahl, die Bewohnenden stellen aber jeweils schnell auf die vom Heim angestellten Ärztinnen und Ärzte um, weil deren Erreichbarkeit viel höher ist.» Über die Jahre habe sich bei der Pflege und der Heimärzteschaft eine hohe Sensibilität bezüglich einer adäquaten Medikation entwickelt. Aktuell «Am Ende jedes Quartals schaue ich mir die Indikatorwerte an und informiere die einzelne Teams. Diese analysieren mit Unterstützung von Pflegeexpertinnen jeden einzelnen Fall.» Lucia Schenk, wissenschaftliche Mitarbeiterin Pflege und Therapie im Zentrum Schlossmatt Burgdorf BE
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