8 ARTISET 06 I 2024 sagt Donato Lorusso, das war sein Grund für einen Wechsel der Stelle. Natascha Oberholzer musste mit der Arbeit im Hotel Dom aufhören, nachdem sie einen Epilepsieanfall hatte und in der Küche auf den harten Steinboden gefallen war. Zum Glück hörten die Anfälle an der neuen Arbeitsstelle wieder auf. Wohntraining und Selbständigkeit Und wo sind sie jetzt beschäftigt? Donato Lorusso ist beim Verein «mensch-zuerst» tätig, während Natascha Oberholzer mittlerweile beim sozialen Unternehmen «dreischiiebe» beim Versand von Produkten, vor allem für die Bäckerei, mitarbeitet. «Ich muss dort sehr genau arbeiten, ich erstelle unter anderem Geschenkpakete», sagt sie. Die Arbeit im Hotel Dom half den beiden, selbständiger zu werden. In der Zeit vor ihrer Tätigkeit waren beide zudem bereits in einer Wohntrainingsgruppe, um zu lernen, was es braucht für das selbständige Wohnen ausserhalb von Institutionen – ein grosser Schritt für beide. Bei der Arbeit im Hotel Dom verliebten sich die beiden ineinander. Nachdem sie das Haushalten und das Finanzielle beherrschten, zogen sie in eine gemeinsame Wohnung und heirateten vor ungefähr 20 Jahren. Und wie selbständig leben sie heute? «Wir machen alles selber, haben aber beide schon lange einen Beistand, seit 2020 genügt jedoch eine Begleitbeistandschaft – wir machen nun auch unsere Finanzen selber», ist Donato Lorusso sichtlich stolz. Einmal pro Monat erhalten sie Besuch von der Wohnbegleitung, die bei Fragen hilft, auch bei Bedarf kommt sie. Und dieser Bedarf ist im Moment gegeben, denn das Internet funktioniert nicht mehr und die Telekommunikationsgesellschaft konnte nicht helfen. Natascha Oberholzer erzählt auch von einem Schein-Wettbewerbsgewinn, der mit einem Besuch von einem Vertreter verbunden war. Der habe ihr trotz ihres Widerstands ein teures technisches Gerät aufgedrängt, mit Hilfe des Vorstands konnte der schlechte Handel rückgängig gemacht werden. Es wird klar, die beiden wissen sich zu helfen, auch als es etwa darum ging, einmal nach Mallorca in die Ferien zu gehen – noch heute erzählen sie ganz begeistert davon. Sich gegen doofe Sprüche wehren Was hat sich verändert in all den Jahren, im Vergleich zur Zeit, als sie im Hotel Dom tätig waren? «Wir können heute selbständiger leben», so Donato Lorusso, «früher wurde mehr über mich entschieden.» Insgesamt hätten Menschen mit Beeinträchtigungen mehr Möglichkeiten, ist Lorusso überzeugt, er selber konnte beispielsweise noch keine Lehre machen damals. Darunter leide dann auch der Lohn, wie Donato Lorusso anmerkt. Natascha Oberholzer meint in Bezug aufs liebe Geld: «Wir können uns und unsere finanziellen Möglichkeiten recht gut einschätzen. Schön wäre, wenn wir uns ab und zu Ferien leisten könnten, die etwas mehr kosten dürfen.» Die Gesellschaft empfinden sie nicht als offener gegenüber Menschen mit Einschränkungen. Sie hören nach wie vor regelmässig doofe Sprüche von meist jungen Menschen. «Wir Personen mit Handicap können uns meistens nicht gut wehren, wir trauen uns nicht», meint Natascha Oberholzer. Einmal an der Olma habe sie jedoch ihren ganzen Mut zusammengenommen und eine Gruppe junger Männer, die sich breitmachten, beiseite geschoben. Sie engagiert sich auch im Insos-Rat als Selbstvertreterin, um sich und anderen mehr Gehör zu verschaffen. Zudem mag sie es, mit Menschen im Austausch zu sein, und besucht so viele Kurse und Weiterbildungen wie möglich. Sie geht auch gerne an Freizeittreffs, denn «für Personen mit Handicap ist es nicht so einfach, in den Ausgang zu gehen». HOTEL DOM Das Dreisternehotel Dom mit 40 Zimmern liegt mitten im zentralen Klosterviertel und bietet Raum zum Schlafen, zum Essen und für Sitzungen und Bankette. Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf können im Hotel mit Anleitung zu Selbstverantwortung und Selbstständigkeit ihre beruflichen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten weiterentwickeln. Vor 26 Jahren wurde das inklusive Hotel als erstes seiner Art gegründet. Heute sind rund 55 Personen an unterschiedlichen Arbeit- und Ausbildungsplätzen tätig. Die Mitarbeitenden wirken in der Küche, im Service, an der Réception, in der Etagenreinigung sowie in der Wäscherei und ihm Nähatelier. Die Lernenden absolvieren eine Ausbildung als Hotelfach-Person, Koch, Kauffrau, Restaurations-, Küchen- oder Hotellerie-Angestellte. Sie werden von qualifizierten Fachpersonen aus Hotellerie und Agogik begleitet. Das Hotel unterstützt seine Mitarbeitenden und Lernenden auch bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Dank Kooperationen mit unterschiedlichen Partnern aus dem ersten Arbeitsmarkt sind externe Praktika oder der Abschluss einem Betrieb im ersten Arbeitsmarkt möglich. Die Zusammenarbeit mit dem Open Art Museum für schweizerische Naive Kunst und Art Brut führt zu Bildern und Skulpturen aus dessen Sammlung in den Räumlichkeiten des Hotels. ➞ www.hoteldom.ch «Wir können heute selbständiger leben, früher wurde mehr über mich entschieden.» Donato Lorusso
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