Die psychische Gesundheit pflegen | Magazin ARTISET | 7-8 2022

ARTISET 07/08 I 2022  29 System nicht nur nötig, sondern auch möglich sind: durch praktisches Han- deln, das über die Eigeninteressen hin- aus nachhaltig und durchaus «lustvoll» zum Gemeinwohl beiträgt. 20 Beispiele «Guter Praxis» Ein laufendes Projekt des Branchenver- bands Curaviva zeigt auf, wie zentrale Elemente der umfassenden und örtlich verankerten Care-Netzwerke schweiz­ weit bereits realisiert werden. In Zu- sammenarbeit mit Innovage, einer Organisation pensionierter Fachper­ sonen, liegt dabei der Fokus auf Pro- jekten oder Regelstrukturen, die einen spezifischen Alters- respektive genera- tionenübergreifenden Bezug aufweisen. Häufig spielen Vereine eine tragende Rolle. Ausgehend von einer Vielzahl an Initiativen, die von der informellen Nachbarschaftshilfe bis zu formalisier- ten Strukturen im ambulanten, inter- mediären oder stationären Bereich reichen, werden entlang einem Gute- Praxis-Kriterienkatalog einzelne Bei- spiele ausgewählt und deren Erfahrun- gen dokumentiert. Als Resultat liegen ab Anfang September dieses Jahres zwanzig Fallbeispiele auf der Curaviva-Website vor (www.curaviva.ch). Diese zeigen auf, wie Vernetzung und der Einbezug von bestimmten Personen- gruppen funktionieren und wie vielfäl- tig das angestrebte «Miteinander» ge- staltet werden kann. Mit dem Bezug auf die Lebensqua- lität zielen die Praxisbeispiele darauf ab, die Selbstbestimmung und Mitwir- kung von Seniorinnen und Senioren zu stärken. Vielfach geht es dabei um mögliche Wohnformen im Alter und um Massnahmen, die ein sozial integ- riertes Leben auch bei zunehmend ein- geschränkter Mobilität und steigen- dem Unterstützungsbedarf fördern. Darunter fallen Modelle des Generati- onenwohnens ebenso wie Angebote soziokultureller Animation in Quartie- ren oder in Altersinstitutionen. Aus der Westschweiz bekannt sind die «Quar- tiers et Villages solidaires», welche ältere Menschen in einem strukturier- ten, aber ergebnisoffenen Vorgehen ermutigen, Einfluss auf ihre unmittel- bare Umgebung zu nehmen und eigene Projekte zu entwickeln, um die gesell- schaftliche Integration von älteren Frauen und Männer zu stärken. Eben- so sind Ansätze integrierter Gesund- heitsversorgung erfasst, die von einem umfassenden Gesundheitsverständnis ausgehen. Im Wohnquartier alt werden Das Beispiel des Vereins Fundus illus- triert, wie durch mobile Altersarbeit in einem Basler Quartier gezielt auch so- genannt schwer erreichbare Menschen angesprochen undTeil eines Netzwerks werden können. Dafür setzt die Stel- lenleiterin stark auf die Vertrauensbil- dung mit jenen Frauen und Männern im vierten Lebensalter, die häufig zu- rückgezogen, allein und mit kogniti- ven, körperlichen oder psychischen Einschränkungen leben. In mehreren Quartieren der Stadt Luzern trägt wiederum der Verein Vicino mit einer breiten Angebotspa- lette dazu bei, dass Seniorinnen und Senioren möglichst lange innerhalb ihres Wohnquartiers alt werden kön- nen. In Umsetzung des Modells «Vogt & Renner» wird die Vernetzung von Leistungen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich realisiert, werden formel- le und informelle Hilfeleistungen ver- mittelt und generationenübergreifende, soziokulturelle Anlässe ebenso organi- siert wie spezifische Pflegedienstleis- tungen in individuelle Wohnungen gebracht. Als weiteres Beispiel sei auf den speziell auf betreutes Wohnen aus- gerichteten Verein Althys in der West- schweiz hingewiesen. Das Betreuungs- modell fördert unter anderem gezielt die zwischenmenschlichen Beziehun- gen zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der betreutenWohnungen untereinander sowie mit dem umge- benden Quartier. Ausgebildete Fach- personen Betreuung stärken als «référent(e) social(e)» die Eigeninitiative und die gegenseitige Hilfe unter den Seniorinnen und Senioren nach dem Motto «Helft einander». Niederschwellig-zugängliche und generationenverbindende Quartier- treffpunkte oder Gastrobetriebe ohne Konsumzwang sind weitere Beispiele, um den Risiken von Vereinzelung, Marginalisierung und Verlust an Auto- nomie im Alter entgegenzuwirken. Das Beispiel von «BarAtto», das von der Pro Senectute Ticino und Moesano in Morbio Inferiore betrieben wird, illus- triert, wie im Zusammenspiel mit den Quartierbewohnenden aus gegebenen Räumlichkeiten «gelebte Räume» ent- stehen: ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Beispiele wie jenes von «PotÂgés», in dem sich ältere Menschen in einem Gemeinschaftsgarten inner- halb eines Parks in Onex treffen, Bezie- hungen untereinander und mit den Kindern des Robinson-Spielplatzes eingehen, zeigen wiederum, dass es oft wenig braucht, um Grosses zu bewir- ken. * Katharina Thurnheer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beimBranchenverband Curaviva Im deutschsprachigen Raum oft auf den Altersbereich fokussiert, steht im Kern von Caring Communities die Förderung von Teilhabe und «Teilgabe» aller.

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