Die psychische Gesundheit pflegen | Magazin ARTISET | 7-8 2022
ARTISET 07/08 I 2022 9 Das Interesse am Thema Gesundheit nehme in den Firmen stetig zu, besonders seit der Coronapandemie. Dies beobachtet Nina Zumstein von der Gesundheitsförderung Schweiz*. Mittels eines spezialisierten Befragungsinstruments können Pflegeheime und auch soziale Institutionen feststellen, wie es ihren Mitarbeitenden geht, und bei Bedarf entsprechende Massnahmen einleiten. Interview: Elisabeth Seifert «Beim Betriebsklima besteht oft Handlungsbedarf» Täuscht der Eindruck, oder stellen auch Sie fest, dass derzeit sehr viele Menschen mit psychischen Problemen zu kämpfen haben? Wir erheben seit 2014 praktisch jährlich den Job-Stress-Index. Dieser zeigt die Ba- lance zwischen Belastungen und Ressour- cen der Arbeitnehmenden auf.Wir stellen fest, dass sich diese Balance tendenziell verschlechtert hat, und zwar bereits im Zeitraum zwischen 2014 und 2020, also noch vor der Coronapandemie. In der zuletzt publizierten Studie aus dem Jahr 2020 hatten rund 30 Prozent der befrag- tenMitarbeitenden mehr Belastungen als Ressourcen und sind damit gefährdet. Die Gründe dafür liegen in der steigenden Komplexität der Aufgaben, verbunden damit, dass immer mehr in noch kürze- rer Zeit erledigt werden muss. Viele Auf- gaben müssen parallel erfüllt werden. …und wie beurteilen Sie die psychi- sche Gesundheit nach zwei Jahren Coronapandemie? Mit dem Job-Stress-Index messen wir spe- zifische Arbeitsbelastungen, die auch schon in der Arbeitswelt vor Corona weit verbreitet waren. Bei gewissen Faktoren, etwa den Arbeitsunterbrechungen, dürfte die mit der Pandemie einhergehende Home-Office-Pflicht die Belastungen bei vielen Mitarbeitenden verringert haben. Bei den neuen Job-Stress-Index-Studien 2021 und 2022, die beide im Herbst veröffentlicht werden, kommt es deshalb womöglich zu paradoxen Ergebnissen. Aus anderen Studien wissen wir, dass während der Coronazeit Belastungen dazugekommen sind, die vorher weniger im Vordergrund standen. Welche Belastungen meinen Sie? Die Veränderung des gewohnten Alltags stellte für viele Menschen eine Belastung dar. Hinzu kam respektive kommt die Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der Pandemie, die Sorge um die eigene Gesundheit und jene der Angehörigen. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen ver- stärken die Unsicherheit weiter.Wir mer- ken derzeit stark, dass wir nicht alles so im Griff haben, wie wir uns dies wün- schen. Neben zusätzlichen Belastungen sind während der Pandemie wichtige Ressourcen weggebrochen, insbesondere die sozialen Kontakte. Diese gehören zu den wichtigsten Ressourcen. Wir erleben derzeit auf gesellschaftlicher Ebene eine Verschiebung in Richtung Belastungen. Diese allgemeinen gesellschaftli- chen Belastungen bleiben nicht ohne Folge in der Arbeitswelt? In der Arbeitswelt haben auch private oder gesellschaftliche Belastungen ihre Auswirkungen, wie natürlich auch Belas- tungen in den Arbeitsbedingungen selbst. Die Sensibilität der Firmen für die Not- wendigkeit eines betrieblichen Gesund- heitsmanagements steigt seit 15 Jahren kontinuierlich an. Mit der Coronapan- demie ist dieses Interesse nochmals gestie- gen. Betriebe, die noch vor zwei oder drei Jahren der Meinung waren, dass Im Fokus
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