ARTISET 07/08 I 2024 17 liebgewonnene Menschen ziehen lassen muss. Sie leiste viel als Freiwillige, aber erhalte auch viel von ihren Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Einschränkungen. Die Bewohnenden mit Behinderungen sind unterschiedlich alt und unterschiedlich lange schon in der WG – Nayden seit zwei Jahren, Olivier seit über zwanzig und Alexandra seit zehn Jahren. Alexandra Berthoud ist die zurückhaltendste Bewohnerin von allen, es gefalle ihr gut, sagt sie. Das richtige Mass finden Was sind denn die Schwierigkeiten der gemeinsamen Lebensform? Andreas Uhlig findet es manchmal anspruchsvoll, sich bei Konflikten abzugrenzen. Valerie teilt diese Ansicht, sie findet es aber auch ohne Konflikte schwierig, das richtige Mass an Ansprechbarkeit und Rückzug zu finden. Die drei ehrenamtlich tätigen Frauen nennen zudem vor allem die Zeit. Studium, Arbeit, Herkunftsfamilie, Freundeskreis und WG-Leben unter einen Hut zu bringen, sei eine ständige Herausforderung. Die Freiwilligen haben bestimmte Präsenzzeiten, diese unterscheiden sich jedoch von Haus zu Haus. Meistens gehört die Verantwortung für ein Abendessen und ein Morgenessen pro Woche dazu sowie die Teilnahme an der wöchentlichen Sitzung, an der alles Wichtige besprochen wird. Die Betreuung der Personen mit Beeinträchtigung tagsüber erfolgt durch professionelle Begleitpersonen, die auch von auswärts dazustossen oder durch Mitarbeitende, welche in den geschützten Werkstätten und Ateliers tätig sind. Das entlastet die Freiwilligen – das Wissen darum, dass es gerade bei Problemen ausgebildete Fachpersonen gibt, welche die Verantwortung tragen. Junge Freiwillige haben es leichter Und welche Personen eignen sich als Freiwillige für eine Arche-Wohngemeinschaft? Andreas Uhlig findet wichtig, dass eine Person den Umgang mit Menschen mit Behinderungen ausprobieren will und dass sie generell offen ist. «Ausserdem habe ich festgestellt, dass es jüngeren Menschen leichter fällt, sich auf eine Arche-WG einzustellen, ebenso wie Personen, die an Wohngemeinschaften gewohnt sind», sagt Andreas Uhlig. Er stellt zudem fest, dass vor allem Deutschsprachige und Tessiner in die WG kommen, obwohl oder gerade weil die WG auf Französisch kommuniziert. Die Professionellen, also die Begleitpersonen und Sozialpädagoginnen, hingegen seien mehrheitlich aus der Romandie. Interessierte leben eine Woche im Haus, damit alle Beteiligten entscheiden können, ob es passt. Bis zur Corona-Krise fanden sich laut Andreas Uhlig immer genug Freiwillige. Dann wurde es schwierig, weil die Studierenden nicht mehr an die Universitäten durften und weil die Einschränkungen mit vulnerablen Menschen beträchtlich waren. Seither hat sich die Situation wieder etwas stabilisiert. Auf Seiten der festen Bewohnerinnen und Bewohner gibt es auch Einschränkungen: Eine gute Mobilität muss gegeben sein. Die Gebäude sind alt, mit mehreren Stockwerken versehen und ohne Lift, das heisst, dass Personen mit eingeschränkter Mobilität nicht aufgenommen werden können. Und hier liegt das Problem: Die Menschen werden älter, und dadurch nimmt auch ihre Beweglichkeit ab. Was passiert, wenn sie sich nicht mehr selbständig von Stockwerk zu Stockwerk bewegen können und nicht mehr selbständig in die nahe gelegenen Werkstätten laufen können? Um dem Älterwerden der Bewohnerinnen und Bewohner zu begegnen, ist der Verein L’Arche Fribourg derzeit auf der Suche nach einem modernen und behindertengerechten Gebäude. Grosse Veränderungen Ein allfälliger Umzug stellt jedoch eine Herausforderung an das Prinzip der Freiwilligkeit dar: Weniger Zimmer stünden den Menschen mit dem Willen zur ehrenamtlichen Tätigkeit zu Verfügung. Und diese Zimmer werden wohl noch im selben Haus, aber nicht mehr direkt in der WG sein. Zum schwierigeren Stand der ehrenamtlichen Tätigkeit trägt auch die Professionalisierung der Betreuung bei, erklärt Andreas Uhlig. 1983, als die Arche Fribourg gegründet wurde, gab es noch kein Recht der Menschen mit Behinderung auf individuelle Wohnformen und entsprechende Finanzierung. Die Hauptlast der Verantwortung trugen die Ehrenamtlichen. Nun hat sich die Situation grundsätzlich verändert. Trotzdem hoffen alle Bewohnerinnen und Bewohner, dass das einmalige Konzept Zukunft hat, denn es bringt Nähe und Vorteile, welche die Institutionen so nicht bieten können. Im Fokus Andreas Uhlig (r.) und Olivier Ducrest haben zusammen ein feines Znacht zubereitet.
RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2MjQyMg==