ARTISET 07/08 I 2024 19 Ich möchte Sie gerne mit auf eine Reise nehmen – dorthin, wo das Land flach ist, das Wetter manchmal rau und die Seeluft frisch. Dort, im Nordosten Deutschlands, eingebettet in eine naturnahe Landschaft aus Seen und Wäldern, dort liegt Schwerin. Meine Heimatstadt. Nicht sehr gross für deutsche Verhältnisse, mit gerade mal 99 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Aber auch mit 70 Freiwilligen, die sich bei den Dreescher Werkstätten für Menschen mit Behinderungen engagieren. Doch erst mal von vorne, damit Sie verstehen, warum Sie in einem Schweizer Fachmagazin einen Beitrag aus Deutschland lesen. Das ist ganz einfach: Ich habe in Schwerin nach meiner Matura ein freiwilliges soziales Jahr gemacht. Das ist nichts anderes als ein zwölfmonatiger Freiwilligendienst. Dieses soziale Jahr habe ich in einem Integrationsbetrieb für Menschen mit Behinderungen bei den Dreescher Werkstätten absolviert – einer gemeinnützigen Organisation, die in Schwerin seit den frühen 1990er Jahren Wohneinrichtungen und Integrationsbetriebe (Werkstätten) für Menschen mit Behinderungen betreibt. Ich habe mich also mit achtzehn freiwillig sozial engagiert. Und meine Mutter macht das heute mit siebzig. Sie arbeitet als freiwillige Projektleiterin und Betreuerin seit mittlerweile über zehn Jahren bei den Dreescher Werkstätten. Immer wieder erzählt sie mir von ihrer Arbeit. «Weisst du, Jenny», sagte sie mal, «auf unserer Reise in den Spreewald, da waren wir drei Reisebegleiter für acht Teilnehmer. Alles Freiwillige.» Das hat mich beeindruckt. Also habe ich mich auf den Weg nach Schwerin zu den Dreescher Werkstätten gemacht. Ein grosses Angebot an Aktivitäten Die Organisation hat eines ihrer Büros im Bürgerzentrum «Campus am Turm» auf dem Dreesch – einem grossen Stadtteil mit Plattenbauten aus DDR-Zeiten. Hier wird die Freiwilligenarbeit für die zahlreichen Freizeit- und Reiseangebote koordiniert. Zu den Angeboten gehört der familienunterstützende Dienst, mit dem pflegende Angehörige entlastet werden können. Die Freiwilligen begleiten oder betreuen Menschen mit Behinderungen eins zu eins, gehen mit ihnen spazieren, begleiten sie zu Freizeitaktivitäten oder bieten ihnen eine paar schöne Stunden. Dann gibt es den Freizeitclub. Hier können sich Menschen mit Behinderungen zu verschiedenen Freizeitaktivitäten anmelden, zum Beispiel zum Bowling, zum Singen oder Musizieren, zum Kochen, zum Line Dancing oder zum kreativen Gestalten in der Kunstwerkstatt. Und zu guter Letzt der Reiseservice: Der bietet Tagesfahrten bis einwöchige Reisen an, sogar nach Mallorca. Meine Mutter leitet zweimal im Monat eine Kochgruppe. An diesem warmen Dienstagnachmittag nimmt sie mich mit. Sie plant zusammen mit ihrem Team die Gerichte und kauft die Zutaten ein. Heute gibt es Rosmarinkartoffeln mit Frikadellen und Salat. Bevor die sechs Teilnehmer ab halb vier nach und nach eintrudeln, ist ihr Team bereits da: Regine und Musa. Infos zu den Dreescher Werkstätten: ➞ dreescher werkstaetten.de Regine, eine Freiwillige der Kochgruppe (l.), gibt wertvolle Tipps an die Teilnehmenden weiter.
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