Was Freiwillige leisten und erleben | Magazin ARTISET | 7-8 2024

20 ARTISET 07/08 I 2024 Musa kommt aus Afghanistan und trägt eine Beinprothese. Seit sechs Jahren engagiert er sich für die Dreescher Werkstätten. In der Kochgruppe kann er seine Kochkenntnisse an die Teilnehmer weitergeben. Das macht ihm viel Spass. Regine ist seit fünf Jahren dabei. Was sie an ihrem freiwilligen Engagement schätzt, ist einerseits das Überraschende: «Man kann nicht planen, es kommt immer anders, als man denkt», und andererseits das Herzliche: «Mal wird man gedrückt, mal bekommt man ein Lächeln.» Gemeinsam kochen und dabei lernen Die Teilnehmer kommen. Sie werden mit dem Fahrdienst direkt von ihrer Arbeit zum Kochstudio im Bürgerzentrum gebracht. Nach einem langen Arbeitstag können sie sich erst mal bei einem Tee oder Kaffee entspannen und stärken. Doch dann geht es an die Arbeit. Denn wer essen will, muss auch zubereiten. Das ist eines der Ziele der Kochgruppe, erklärt mir Regine: lernen, wie man sich eine köstliche Mahlzeit zubereiten kann. «Wir machen einfache Gerichte, damit die Leute die Rezepte leicht zu Hause nachkochen können.» Gesagt, getan. Meine Mutter und Regine verteilen die Aufgaben. Katrin schneidet Zwiebeln, Paul mischt sie unter das Hackfleisch, Yvonne formt es zu Frikadellen. Und Emilie schneidet Salat – mit ein paar Tipps von Regine. «Schau mal, Emilie, wenn du das Messer so hältst, kannst du besser schneiden.» Emilie ist neu in der Kochgruppe und braucht mehr Anleitungen als die Alteingesessenen. Mit Regine hat sie die richtige Unterstützung an ihrer Seite. Die grosse, blonde Frau wirkt auf mich wie ein sanfter Ruhepol im quirligen Küchenteam. Während sie die Frikadellen brät, beantwortet sie hier Fragen und reicht dort Kochutensilien. Katrin: «Sind die Klopse schon gut?» Regine: «Noch nicht. Schau mal, da ist noch rotes Fleisch.» Yvonne: «Regine, kannst du mir mal den Löffel geben.» Regine: «Bitte schön.» Emilie mit ihrer Salatschüssel: «Guck mal.» Regine: «Das hast du gut gemacht, Emilie.» Wer sich bei den Dreescher Werkstätten freiwillig engagieren will, der muss das Herz am rechten Fleck haben, muss offen und ehrlich sein, aber auch mutig genug für neue Herausforderungen und einen aufrichtigen Blick auf sich selbst. Das erklärt mir Heike Winkler. Sie ist die Teamleiterin für den Bereich «Familie & Freizeit» bei den Dreescher Werkstätten. Interessierte kommen zuerst zu ihr. Winkler sucht mit ihnen gemeinsam den passenden Einsatzbereich, sie sagt aber auch deutlich, was sie von den Freiwilligen erwartet. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich weiterzubilden. Bei Reisebegleitern ist das besonders wichtig, denn sie tragen eine grosse Verantwortung. «Wir tun viel dafür, damit die Freiwilligen mit einem guten Gefühl in die Begleitungen gehen können», betont Heike Winkler. Freiwillige fördern und wertschätzen Die Dreescher Werkstätten bieten ihren Freiwilligen kostenlose Fortbildungskurse und reisevorbereitende Teamsitzungen an. Es gibt Formblätter mit festen Abläufen, zum Beispiel zu Pflegestandards, oder Protokolle zur Medikamentenvergabe. Auch eine positive Fehlerkultur, Vertrauen in die Fähigkeiten der Freiwilligen, Erfahrungsaustausche und feste Ansprechpartner fördern das gute Gefühl. Und noch etwas: Die Freiwilligen gehören so selbstverständlich zu den Dreescher Werkstätten wie die Festangestellten. Zu Festen und Feierlichkeiten, wie zum Beispiel zum Neujahrsempfang, werden alle eingeladen, zu Weihnachten bekommen alle ein Weihnachtsgeschenk, und wenn jemand sein Engagement beenden will, wird er würdevoll verabschiedet. Freiwilliges Engagement wird in Deutschland nicht nur von den gemeinnützigen Trägern gewürdigt, sondern auch von Stadt, Land und Staat. Die Stadt Schwerin bedankt sich jedes Jahr bei engagierten Schwerinern mit einem Ehrenamtsdiplom. Das Land Mecklenburg-Vorpommern zeichnet freiwillig Engagierte für ihre Verdienste mit einer Ehrennadel aus und vergibt ausserdem die «EhrenamtsKarte MV». Damit erhalten Freiwillige Vergünstigungen für ausgewählte Angebote. Der Staat verleiht einmal im Jahr den Deutschen Engagementpreis, nicht nur an Bürger, sondern auch an Organisationen. Man tut in Deutschland viel, um das freiwillige Engagement zu würdigen und zu fördern, zum Beispiel mit staatlichen Förderprogrammen. Heike Winkler erzählt mir, dass die Dreescher Werkstätten Fördergelder für ihre Freizeitangebote vom Land erhalten. Doch das reicht nicht. Deswegen werden die Angebote mit Teilnahmegebühren mitfinanziert. Aufwandsentschädigungen für Freiwillige gehören trotzdem selbstverständlich dazu. «Wir finden, dass Freiwillige, die ihre Zeit und Energie unseren Teilnehmern schenken, die Aufwendungen, die für ihre Engagement «Wir tun viel, damit die Freiwilligen mit einem guten Gefühl in die Begleitungen gehen können.» Heike Winkler, Teamleiterin Dreescher Werkstätten

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