Was Freiwillige leisten und erleben | Magazin ARTISET | 7-8 2024

ARTISET 07/08 I 2024 27 kaum ein so breites Freizeit- oder Ferienangebot – und damit auch nicht die Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft. Auch wenn die Sommerlager von Atgabbes weitherum bekannt sind, kommen die Freiwilligen nicht einfach von selbst. Im Jahr 2023 etwa rekrutierte der Verein 115 neue Freiwillige. Wesentlich an deren Rekrutierung beteiligt ist Paola Bulgheroni, sie ist verantwortlich für den Bereich Freizeit innerhalb von Atgabbes. Eine wichtige Rolle spiele die Mund-Propaganda, betont sie, aber auch die Werbung über die sozialen Medien. Bewährt haben sich zudem regelmässige Präsentationen an Universitäten, Fachhochschulen, Höheren Fachschulen und Berufsschulen. Im Tessin selber, aber auch in der Romandie sowie in der Deutschschweiz – überall dort, wo Tessinerinnen und Tessiner studieren. Bulgheroni: «Wir sprechen in diesen Präsentationen insbesondere Lernende und Studierende aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich an.» Willkommen seien natürlich auch Freiwillige aus anderen Berufen. Viele der Freiwilligen haben indes einen entsprechenden beruflichen Hintergrund und sind jung, nämlich zwischen 18 und 30 Jahre alt. Auch Paola Bulgheroni hat seinerzeit ein Studium in der Heilpädagogik absolviert – und war während ihres Studiums und danach für mehrere Jahre als Freiwillige in den «Colonie» tätig. Ihre Verbindung zu den inklusiven Sommerlagern hat dabei schon viel früher begonnen – als 10-Jährige in einem Kinderlager. Sie nahm in der Folge – noch als Minderjährige – an weiteren Lagern teil, bis sie schliesslich gemeinsam mit anderen Freiwilligen solche Lager selbst leitete. Und: Paola Bulgheroni, heute 30, ist mit dieser Geschichte kein Einzelfall. Magische Erlebnisse Aufgrund ihrer langjährigen Verbundenheit mit dem Verein kann sie auf authentische Art und Weise für die Freiwilligenarbeit werben. Und was ist es jetzt, das die ehrenamtliche Arbeit in den Ferienlagern für sie so attraktiv macht? Sie überlegt kurz und sagt dann mit einem Lächeln im Gesicht: «Die Erfahrungen, die wir hier machen dürfen, haben mit Magie zu tun.» Sie spricht damit besonders das Engagement in den «Colonie» an, wo jeweils eine Gruppe von Freiwilligen gemeinsam mit Kindern, mit Jugendlichen oder mit Erwachsenen während zweier Wochen eine intensive Zeit verbringt. Und dies oft nicht nur während eines Sommers, sondern über mehrere Jahre hinweg. «Im Bereich der ‹Colonie› streben wir Kontinuität an», betont Paola Bulgheroni. Die Teilnehmenden mit Behinderung haben oft schwerere Beeinträchtigungen und seien deshalb auf stabile Beziehungen angewiesen. Die Freiwilligen sowie die Teilnehmenden mit und ohne Behinderung, die sich jedes Jahr erneut treffen, wachsen auf diese Weise zu einer verschworenen (Ferien-)Gemeinschaft zusammen. «Gerade auch teilnehmende Kinder und Jugendlich ohne Behinderung machen auf diese Weise inklusive Erfahrungen, die ihr ganzes weitere Leben prägen», weiss Paola Bulgheroni. «Es entstehen in den Lagern auch immer wieder Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne Behinderung.» Für sie persönlich war ganz besonders auch die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen von zentraler Bedeutung: «Die Freiwilligen sind so etwas wie Familie für mich geworden, beste Freundinnen und Freunde.» Unterstützung und Beratung Die Vorbereitungsarbeiten und die Durchführung der «Colonie» sind allerdings mit viel Arbeit verbunden und bringen auch so manche Herausforderung mit sich. Bei der Planung der Aktivitäten etwa müsse berücksichtigt werden, dass sich diese für Menschen mit und ohne Behinderung eignen. Für Paola Bulgheroni ist es immer wieder erstaunlich, mit welcher Kreativität und Energie die Gruppen hier ans Werk gehen. Und: «Wenn 20 Freiwillige während zweier Wochen auf partnerschaftliche Weise Entscheide fällen müssen, ist das keine einfache Sache.» Man lerne dadurch aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Selbst wenn viele der Freiwilligen in Sozial- oder Gesundheitsberufen tätig sind, stellt sie die Begleitung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen oder mit einem herausfordernden Verhalten doch immer wieder vor eine schwierige Aufgabe. «Erfahrene Freiwillige helfen weniger Erfahrenen», so Paola Bulgheroni. Zudem biete der Verein mittels interner oder auch externer Schulungen Unterstützung an. Und: Vor den Einsätzen in Sommer finden regelmässig Besprechungen statt, in denen die Freiwilligen auf die spezifischen Probleme der begleiteten Menschen vorbereitet werden. Die Erfahrungen, welche die Freiwilligen machen, werden ihnen in einem Zertifikat bestätigt. Bulgheroni: «Die vielen jungen Menschen können so Berufserfahrungen sammeln und diese im Lebenslauf ausweisen.» Abgeschlossen wird der Sommer jeweils mit einem Apéro für all die vielen Freiwilligen. «Ihr Einsatz soll ein positives Erlebnis sein, sodass sie auch im nächsten Jahr wieder kommen.» «Wenn 20 Freiwillige während zweier Wochen auf partnerschaftliche Weise Entscheide fällen müssen, ist das keine einfache Sache. Man lernt dadurch aber auch, Verantwortung zu übernehmen.» Paola Bulgheroni, Verein Atgabbes Im Fokus

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2MjQyMg==