Was Freiwillige leisten und erleben | Magazin ARTISET | 7-8 2024

ARTISET 07/08 I 2024 3 Editorial «Freiwillige treten in Beziehung zu ganz unterschiedlichen Arten von Menschen und tragen auf diese Weise viel zum sozialen Zusammenhalt bei.» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Wenige Tage bevor ich diese Zeilen geschrieben habe, gab ich mir – endlich – einen Ruck und setzte mich mit einer älteren Nachbarin, die schon öfter bei mir geklingelt hatte, in ein nahegelegenes Café. Und: Ich werde es wieder machen. Ihre aussergewöhnliche, schwierige Lebensgeschichte machte mich nachdenklich, vor allem auch, dass sie trotzdem ihren Lebensmut nicht verloren hat. Und ich merkte, dass es ihr guttut, im Haus jemanden zu haben, an den sie sich wenden kann. Sie können sicher von ähnlichen Erlebnissen erzählen und haben auch festgestellt, wie notwendig und bereichernd es zugleich ist, nicht nur den eigenen Alltag und das unmittelbare Umfeld im Blick zu haben, sondern die Bedürfnisse der Menschen rund um uns herum. Wir sind soziale Wesen. Das bedeutet, gesellig zu sein, sicher. Aber mehr noch gehört es zu unserer DNA, uns für das Wohlergehen anderer und der Gemeinschaft zu engagieren. Immer gemäss unseren Möglichkeiten. Informell oder auch formell innerhalb einer Organisation oder eines Vereins. In den Bereichen Freizeit, Gesundheit oder Soziales, auch in der Politik. Freiwilligenarbeit ist sehr verbreitet. Markus Lamprecht, der für den Schweizer Freiwilligen-Monitor verantwortlich ist, bezeichnet im Interview die Freiwilligenarbeit «als tragende Säule unserer Gemeinschaft» (Seite 10). Vor diesem Hintergrund stimmt es zuversichtlich, dass die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft zu engagieren, in der Schweiz nicht generell abnimmt. Lamprecht gibt aber zu bedenken, dass die Suche nach Freiwilligen nicht einfacher geworden ist. Das hat auch mit unserem Wohlstand respektive der Entwicklung der Wirtschaft zu tun. Zahlreiche Aufgaben werden von Fachpersonen erledigt. Gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich erleben wir einen hohen Grad an Professionalisierung, wodurch qualitativ hochstehende Dienstleistungen möglich geworden sind. Und wir alle haben uns daran gewöhnt, für Arbeit mit Geld entlöhnt zu werden. Das Engagement der Zivilgesellschaft bleibt aber schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung wichtig für unser Gemeinwesen. Die Begleitung und Betreuung der vielen älter werdenden Menschen etwa lässt sich mit Profis allein nicht bewältigen. Freiwillige tragen zudem viel zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei, indem sie mit ganz unterschiedlichen Arten von Menschen in Beziehung treten. Lassen Sie sich von unseren Beiträgen inspirieren, selbst freiwillig tätig zu sein oder besser zu verstehen, wie sich Freiwillige für bestimmte Aufgaben gewinnen lassen. Über den Fokus hinaus empfehle ich Ihnen das Porträt von Beat und Susanne Hirschi, die seit 35 Jahren mit immer wieder neuen Ideen das Alterszentrum Jurablick in Niederbipp BE leiten, der Zeit zumeist voraus (Seite 30). Und vor dem Hintergrund der lauter werdenden Kritik an der integrativen Schule zeigt Romain Lanners, Direktor am Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik, wie die integrative Schule respektive die Schule für alle – endlich – zum Fliegen kommen kann (Seite 33). Titelbild: In den inklusiven Wohngemeinschaften des Vereins Arche in Fribourg begleiten neben Profis auch Freiwillige, meist Studierende, ihre Mitbewohnenden mit einer Behinderung. Foto: Marco Zanoni

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