Was Freiwillige leisten und erleben | Magazin ARTISET | 7-8 2024

32 ARTISET 07/08 I 2024 freut sich: «Theoretisch können sich in diesem Raum vier Generationen treffen», sagt er, und schmunzelt: «Hier können Enkel neben ihren Grosseltern trainieren.» Sowohl den Externen wie den Bewohnenden stehen fünf Physiotherapeutinnen und -therapeuten zur Verfügung, ausserdem beherbergt das Zentrum eine Arztpraxis und die Spitex Oberaargau Land. Wohnungen für die Babyboomer Beat Hirschi zeigt durch das Fenster auf die alte Scheune hinter dem Hauptgebäude, die zum Grundstück gehört. Sie ist denkmalgeschützt, aber sollte er die Genehmigung bekommen, sie dennoch abzureissen, möchte er dort eine Reha-Abteilung einrichten, in der sich Menschen nach einem Unfall zwischen Spital und Zuhause erholen könnten. Daneben, er sieht es schon vor sich, könnte sich eine Apotheke einmieten und eine Abteilung für Akut- und Übergangspflege. Und er könnte zusätzliche Alterswohnungen bauen. «Ein Riesenbedürfnis.» Beat Hirschi klingelt bei Heinz Flückiger, 83 Jahre alt. Flückiger, ehemaliger Spitaldirektor, hat sich bereit erklärt, die 3 1⁄2-Zimmer-Alterswohnung zu zeigen, in der er mit seiner Frau Nelly seit drei Jahren wohnt. Er führt durch die elegant eingerichtete Wohnung, die Räume sind hell, grosszügig, mit einem Balkon über die ganze Länge, einem abgetrennten Wintergarten und eingebautem Reduit mit Wäscheturm – eine rollstuhlgängige und pflegeleichte, aber ausgesprochen attraktive Wohnung. Und mit 1700 Franken Mietzins gut zahlbar – inklusive Fitnessabo, Veranstaltungen und wöchentliche Ausflüge. «Da werden auch die Babyboomer kommen», ist Hirschi überzeugt. Sämtliche Zusatzdienste wie Mahlzeiten, Putz- und Pflegeleistungen hingegen sind im Jurablick separat buchbar: Hirschi will niemandem eine Leistung aufdrängen. Viele Bewohnende sind auffallend fit Und doch funktioniert auch der Pflegebereich einwandfrei. Das hat Heinz Flückiger bereits unfreiwillig getestet: «Ich habe per Irrtum auf den Notfallknopf gedrückt», erzählt er. Und: «Es dauerte knapp zwei Minuten, bis zu meinem Erstaunen eine Pflegefachfrau vor der Tür stand.» Soeben kommt seine Frau Nelly vom Fitnesstraining zurück. Nach dem Duschen wird sie gemeinsam mit ihrem Mann in der modernen Küche ein Mittagessen vorbereiten, wie sie es in jeder eigenen Wohnung machen würden. Und manchmal fahren die beiden in die Ferien ins Tessin: keine Spur von Abwarten im Altersheim. Geschäftsführer Beat Hirschi nickt. Genau so kann er sich sein Leben im Alter auch vorstellen. «Das wird die Zukunft sein», erklärt er. Und die Nachfrage gibt ihm recht: Er hat eine Liste mit 88 Anmeldungen für die Wohnungen, 30 möchten am liebsten sofort einziehen. Für die Pflegebetten in Zentrum, figurieren derzeit 400 Personen auf der Warteliste. Beat Hirschi führt zur Eingangshalle, er ist sichtlich stolz auf das Alterszentrum, das er und seine Frau gemeinsam mit dem Vorstand und den Mitarbeitenden über all die Jahre entwickelt haben. Aus einem Haus mit anfänglich 42 Pflegebetten ist ein ganzes Zentrum geworden, das Anfangsteam von 18 Mitarbeitenden ist auf eine Truppe von 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angewachsen. Ob es ein Zufall ist: Aber sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner, die an diesem Tag im Training, auf den Gängen oder im Restaurant unterwegs sind, wirken auffallend vital. Viele von ihnen sind weit über 90, drei werden dieses Jahr gar 100 Jahre alt. Hirschi schmunzelt. Er ist überzeugt, dass es Angebote wie das «Kogni-Training» oder der Fitnessraum sind, die mithelfen, dass so viele Hochaltrige so gut in Form sind. Und die Offenheit des Alterszentrums, das mit den vielen Angeboten so lebendig ist, dass sogar Enkelkinder gerne zu Besuch kommen. Soeben setzen sich im hellen Speisesaal zwei Enkeltöchter zu einer der Bewohnerinnen an den Tisch. «Sie essen jede Woche hier mit ihrer Grossmutter zu Mittag», sagt Hirschi zufrieden. «Das Leben hereingeholt» Wenn im grossen Saal eine Veranstaltung stattfindet, begrüsst er immer viele Angehörige. Der Saal bietet sogar die Möglichkeit für Live-Übertragungen, damit alle, die bettlägerig oder krank sind, die Veranstaltungen in ihrem Zimmer mitverfolgen können. Für diese Einrichtung erhielt die Institution von der Age Stiftung 200 000 Franken. Hirschi nickt und fasst zusammen: «Wir haben das Leben hereingeholt.» Inzwischen ist Brigitte Morone, die im Alterszentrum für das «Kogni-Training» und das Vitafit-Turnen zuständig ist, mit dem heutigen Programm fast durch. 19 verschiedene Spiele hält sie für die Bewohnenden im Sortiment bereit, «Arrows» und «Flexi» für exekutive Funktionen, oder «Cloudy» und «Lumina» für die Balance: Alle dürfen wählen, auf welche Spiele sie an diesem Tag Lust haben. «Nehmen wir ein Spiel neu ins Angebot auf, teste ich es jeweils zuerst selbst», erklärt sie. Dabei staunt sie immer wieder, wie flink die teils hochbetagten Bewohnerinnen und Bewohner sich dabei anstellen. Bethli Bieri hat inzwischen geduldig gewartet, jetzt stellt sie sich bereit. «Ich mache am liebsten die Spiele, bei denen man so richtig denken muss», sagt die Bewohnerin dezidiert. Für sie hat Brigitte Morone «Arrows» vorbereitet. Bethli Bieri legt konzentriert los. Und auch sie wirkt trotz ihrer 94 Jahre so munter, dass man sich unwillkürlich fragt, ob es die Niederbipper Luft ist, die so fit hält? Oder das «Kogni-Training»? Oder vielleicht ist es das ganze Ensemble im Alterszentrum Niederbipp – jenem Ort voller Leben.

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