ARTISET 07/08 I 2024 33 Aktuell Die Umsetzung der integrativen Schule hat es vielerorts schwer. Zu denken gibt Romain Lanners*, Direktor am Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik, vor allem, dass das Sonderschulangebot über die letzten 40 Jahre ausgebaut worden ist. Er wünscht sich eine verbesserte Zusammenarbeit von den Regel- und den Sonderschulen. Interview: Elisabeth Seifert « Die Sonderschule muss ein Teil der Regelschule werden» Herr Lanners, die Schweiz bekennt sich zur integrativen Schule, mit der Umsetzung aber harzt es – und es verschaffen sich Stimmen Gehör, die wieder die Rückkehr zu Klein- oder Sonderklassen fordern. Was sagen Sie? Die Diskussion wird sehr emotional und damit längst nicht immer sachlich geführt. Und es sind in der Regel die lautesten, kritischen Stimmen, die sich Gehör verschaffen. Zudem versteht sich jeder als Bildungsexperte, obwohl das längst nicht alle sind. Unabhängig davon gibt es aber tatsächlich Probleme: Ein Teil der Lehrerschaft ist unzufrieden. Dies hat auch damit zu tun, dass sich unsere Gesellschaft verändert, die Schule aber mit diesen Veränderungen nicht Schritt hält. Wenn man von den Problemen mit der integrativen Schule spricht, meint man oft Schwierigkeiten im Umgang mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern. Bei der Diskussion rund um auffälliges Verhalten muss man berücksichtigen, dass dieses sehr heterogen ist. Verhaltensauffälligkeiten können systembezogen sein, nämlich Unter- oder Überforderung im Unterricht oder eine komplexe familiäre Situation. Sie können aber auch personenbezogen sein: psychische Erkrankungen oder Autismus-Spektrums-Störungen (ASS) sind hier Beispiele. Wenn es unruhig ist in einer Klasse, können Kinder mit ASS schnell die Kontrolle verlieren. Wir haben die Tendenz, auf solche unterschiedliche Problemlagen eine homogene Antwort zu geben. Gibt es heute mehr verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler? Das wissen wir in der Schweiz nicht so genau. Wir führen keine Statistiken zu den Schwierigkeiten, welche die Schülerinnen und Schüler haben. Ob diese eher die sozial-emotionale Entwicklung, also das Verhalten betreffen, oder ob sie im kognitiven oder im motorischen Bereich angesiedelt sind. Es besteht aber der Eindruck, dass Verhaltensauffälligkeiten zunehmen. Sie haben es bereits erwähnt: Wir suchen die Antwort in einer homogenen Schule. Die Problematik ist komplex, und wir hatten, vor allem früher, drei Antworten dafür: die Regelschule für jene, die einer bestimmten Norm entsprechen, und für die anderen die Sonder-
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