Was Freiwillige leisten und erleben | Magazin ARTISET | 7-8 2024

8 ARTISET 07/08 I 2024 Sinnstiftende Tätigkeit nach der Pensionierung Derzeit sind rund 70 Personen im Freiwilligenpool der Aareperle aktiv. Der Grossteil davon engagiert sich direkt vor Ort in der Lese-, Strick-, Sing- oder Lottogruppe, im Mahlzeitendienst oder bei Projekten, die sie selbst ins Leben rufen, wie den kürzlich initiierten Männerstammtisch. Der «klassische» Freiwillige ist pensioniert, pflegt einen aktiven Lebensstil, will einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen, sich aber auch nicht allzu stark binden, um weiteren Interessen nachgehen zu können. Rund ein Dutzend Personen aus diesem Pool leisten ihre Einsätze im Rahmen der Nachbarschaftshilfe. Wo liegen die Unterschiede? Die Frage geht an Nadia Zanchi, die umtriebige Freiwilligenkoordinatorin im Haus, deren Türen immer offenstehen. «Unsere Freiwilligen, die Betagte zuhause aufsuchen, sind bei ihren Einsätzen stärker auf sich allein gestellt. Sie tragen eine grössere Verantwortung», sagt sie. Die ausgebildete Kulturmanagerin hat ihre Tätigkeit im März 2022 aufgenommen, schreibt im Rahmen ihres 30-Prozent-Pensums Konzepte, schaltet Inserate, führt Gespräche, nimmt Anfragen entgegen, organisiert die Einsätze, kümmert sich um kurzfristige Vakanzen – kurz: Sie ist die Anlaufstelle für alle Fragen und Anliegen rund um Freiwilligenarbeit. Und von diesen gibt es viele. Intuition und Information Wie findet sie heraus, ob ein Freiwilliger den Anforderungen gerecht wird und wie aus zwei Individuen ein Team wird? «Wichtig sind die Erstgespräche», sagt sie. «Hier versuche ich herauszufinden, wieso sich jemand engagieren will. Ich zeige auf, welches die schönen Seiten, aber auch die Herausforderungen dieses Engagements sind.» Einige springen wieder ab, andere bleiben im Rennen. Für sie sucht Nadia Zanchi einen Ort, wo ihre Fähigkeiten zum Tragen kommen – direkt in der Aareperle oder in der Nachbarschaftshilfe. «Ein gut begleiteter Einstieg ist wichtig, gerade bei Einsätzen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe», weiss Nadia Zanchi. Beim ersten Treffen zuhause sind idealerweise auch Angehörige zur Stelle, damit wichtige Informationen fliessen und die gegenseitigen Erwartungen geklärt werden. «Die Freiwilligen sind nicht für das Leben von jemand anderem verantwortlich. Es ist wichtig, Nein sagen zu können und sich vor Überforderung zu schützen.» Nadia Zanchi, Freiwilligenkoordinatorin Aareperle RITA SPUHLER: «DIE RICHTIGE BALANCE FINDEN» Jeden Montag von 14 bis 17 Uhr ist Rita Spuhler ganz in ihrem Element. Kleine Strasse, Dreierpasch, Full House: Die 90-jährige Frau, die Rita Spuhler seit rund einem halben Jahr wöchentlich aufsucht, würfelt fürs Leben gern. Dass sie mit jemandem «pläuderlä» und spielen kann, weiss die vife, unternehmenslustige Seniorin ungemein zu schätzen. Denn seit Sehkraft und Hörsinn weiter nachgelassen haben, hat sich ihr Aktionsradius nochmals dramatisch verkleinert. Weil es zuhause nicht mehr klappte, wohnt die betagte Frau seit kurzem in einer Institution in Zurzach. Doch so richtig heimisch ist sie dort noch nicht geworden: Rita Spuhler, die sie bereits im eigenen Domizil aufgesucht hat und jetzt auch am neuen Ort zur Stelle ist, bildet eine der wenigen Konstanten in diesen von Umbrüchen geprägten Zeit. Für Rita Spuhler ist klar: Den Montag möchte sie keinesfalls missen. «Es kommt so viel zurück, es ist so viel Dankbarkeit da.» Und doch sei es auch wichtig, eine gewisse Distanz zu wahren, damit das Engagement nicht zur Belastung werde. Vielen Hochbetagten fehlten die sozialen Kontakte und Möglichkeiten, um mit andern zu reden. Diese Erkenntnis ist nicht nur einfach: «Zu wissen, dass die Person, die ich begleite, sich viel mehr Aussenkontakt und Austausch wünscht, kann zu einem gewissen Druck führen.» Ihr helfe es, nach dem Einsatz jeweils mit ihrem Mann zu sprechen, um schwierige Themen zu verarbeiten. Und sich selber nicht zu viel aufzubürden – weder zeitlich noch emotional. Froh ist sie auch, dass es unter den Freiwilligen immer wieder Anlässe zum informellen Austausch gibt und sie sich bei Problemen an die Freiwilligen-Koordinatorin der Aareperle wenden kann.

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