Magazin ARTISET_9-2022_Politische Partizipation

ARTISET 09 I 2022 15 Die Geschichte beginnt in einemWohnheim der Institution Eben-Hézer in Lausanne, wo Omar Odermatt als Nachtwächter arbeitet. Bei einer Tasse Tee erklärt der Politikbegeisterte den Bewohnerinnen und Bewohnern die Abstimmungsthemen. Der Koordinator von Bla-Bla Vote erinnert sich: «Da ich Politikwissenschaften studiert hatte, wurde ich oft zu Abstimmungsthemen befragt.» In Verbindung mit der Annahme der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-. BRK) durch die Schweiz wurde dann 2015 innerhalb der Stiftung Eben-Hézer die Bewegung «Tous Citoyens!» ins Leben gerufen. Etwas später fand eine Umfrage zu den politischen Rechten und zur Mitsprache von Menschen mit Behinderung statt. Diese zeigte Lücken auf. Zudem wurde Bruno Wägli, stellvertretender Direktor von Eben-Hézer Lausanne, von zahlreichen Betreuenden darauf angesprochen, was mit den an die Einrichtung geschickten Stimmcouverts geschehen soll. «Viele landeten im Papierkorb», erklärt Bruno Wägli. «Da erfuhr ich von den Gesprächen, die Omar Odermatt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern führte.» Um die ermittelten Schwachstellen zu beheben, wandte sich der stellvertretende Direktor an Omar Odermatt und bat ihn, sein innovatives Konzept auch in der Stiftung Eben-Hézer anzuwenden. Eine gewinnbringende Partnerschaft 2015 erfolgt dann der Startschuss für das Projekt. Doch damit die Idee wirklich Gestalt annehmen konnte, nahm die Lausanner Institution Kontakt mit dem Quartierzentrum Chailly auf. «Eben-Hézer ist ein integraler Bestandteil des Quartiers», betont Omar Odermatt. «Die Bewohnerinnen und Bewohner der Institution werden daher als Quartierbewohnerinnen und -bewohner betrachtet, was sehr wichtig ist.» Diese Kontaktnahme kam genau zum richtigen Zeitpunkt. So verfügte das Quartierzentrum Chailly noch über kein Projekt zur Förderung der politischen Partizipation. «Ein Quartierzentrum ist ein Begegnungsort, der Menschen ermöglicht, soziale Bindungen aufzubauen und Ideen zu entwickeln», so Nadège Marwood, Koordinatorin von Bla-Bla Vote. «Die Förderung der Teilnahme am staatsbürgerlichen und gemeinschaftlichen Leben ist daher Teil unserer Aufgaben.» Das erste Bla-Bla-Vote-Treffen fand 2016 statt. Am 3. September wurde imVorfeld der eidgenössischen Abstimmung vom 25. September bereits die siebte Veranstaltung durchgeführt. Die Projektmitglieder arbeiten an der Entwicklung eines Konzepts und einer Methodik, damit das Instrument auch auf andere Einrichtungen übertragen werden kann, die ein ähnliches Bürgerforum einrichten möchten. Bla-Bla Vote steht unabhängig von ihrem Stimmrecht allen Menschen offen. «Ob Ausländerinnen und Ausländer, erwachsene Personen mit und ohne Behinderung, Kinder und Jugendliche – Bla-Bla Vote ist für alle ein Gewinn», so Nadège Marwood. Denn selbst für viele Stimmbürgerinnen und Bla-Bla Vote ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Eben-Hézer in Lausanne und dem Quartierzentrum Chailly. Ziel dieses Bürgerforums ist es, den Bewohnerinnen und Bewohnern des Lausanner Quartiers Chailly die Möglichkeit zu bieten, sich eine Meinung zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen zu bilden. Ein Gespräch mit den beiden Forumskoordinatoren und einem Direktionsmitglied von Eben-Hézer Lausanne. Von Anne Vallelian BLA-BLA-VOTE-TREFFEN ZUR AHV-REFORM Es sind rund zwanzig Personen, Einwohnerinnen und Einwohner des Lausanner Quartiers Chailly sowie Bewohnerinnen und Bewohner der Stiftung Eben-Hézer, die amSamstag, dem3. September, den Weg zumMaison de quartier de Chailly gefunden haben, um am Bla-Bla-Vote-Treffen teilzunehmen. Auf dem Programm steht die Reform der AHV, eine der nationalen Abstimmungsvorlagen vom 25. September. Für eine kontroverse Diskussion über die Vorlage haben Nadège Marwood und Omar Odermatt, die das Bürgerforum koordinieren, Vertretende des Ja- und des Nein-Lagers eingeladen: Das Ja-Lager vertraten Faustine Tsala, Präsidentin der jungen Waadtländer Mitte-Partei, sowie Emmylou Maillard, Präsidentin der jungen SVP des Kantons Waadt. Gegen die Reform argumentierten Claire Jobin und Danielle Axelroud, Mitglieder des Waadtländer Frauenstreiks. An der Veranstaltung anwesend war auch Yvette Jaggi, «Grande Dame» der Waadtländer SP. Bei Bedarf formulierte Omar Odermatt die Fragen und Voten der Anwesenden in Leichter Sprache. Auf dem Webradio von Eben-Hézer steht allen Interessierten ein Podcast der Veranstaltung zur Verfügung. ➞ www.radio.eben-hezer.ch

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