Magazin ARTISET_9-2022_Politische Partizipation

34 ARTISET 09 I 2022 Eine Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums legt den Bedarf an Langzeitpflege bis ins Jahr 2040 offen. Artiset-Geschäftsführer Daniel Höchli und Markus Leser, Geschäftsführer des Branchenverbands Curaviva*, erachten Zusatzfinanzierungen für dringend nötig. Zudem gelte es den Aufbau intermediärer Strukturen voranzutreiben. Interview: Elisabeth Seifert «Es ist noch völlig unklar, wie wir den Bedarf stemmen» Die Zahl der Personen ab 80 Jahren steigt zwischen 2020 und 2040 um 83 Prozent an, wie der Obsan-­ Bericht zeigt. Entspricht dies Ihren Erwartungen? Markus Leser: Bereits seit Mitte der 70er-Jahre wissen wir, dass es aus demografischen Gründen zu einem Anstieg der älteren Bevölkerung kommt. Die Zahlen sind also nicht überraschend. Die Generation der Babyboomer ist ein wichtiger Grund dafür. Ein weiterer wichtiger Grund ist die steigende Lebenserwartung. Das ist eine gute Entwicklung und nicht, wie es immer wieder dargestellt wird, ein besorgniserregendes Szenario. Daniel Höchli: Demografische Prognosen sind sehr verlässlich und deshalb wenig erstaunlich. Spannend ist indes, welchen Bedarf in der Langzeitpflege der Obsan-Bericht aufgrund dieser demografischen Entwicklung offenlegt. Bei einer unveränderten Versorgungspolitik errechnet der Bericht bis 2040 einen Bedarf von 921 zusätzlichen Pflegeheimen. Selbst bei einer Verlagerung in den ambulanten und intermediären Bereich geht der Bericht immer noch von 683 neuen Heimen aus. Was sagen Sie dazu? Leser: Der Bedarf wächst in allen Bereichen der Langzeitpflege und auch der Langzeitbetreuung. Neben der demografischen Entwicklung sind dafür spezielle Pflegebedürfnisse verantwortlich: Die Gerontopsychiatrie ist stark gefordert, psychische Störungen nehmen zu, auch Suchtprobleme und natürlich Demenz. Auch der Bedarf im Bereich Palliative Care steigt. Hinzu kommen spezifische Bedürfnisse von alten Menschen mit Migrationshintergrund oder auch von alten Menschen mit Behinderung. In all diesen Bereichen ist der Aufwand pro Person hoch, sowohl bei der Pflege als auch bei der Betreuung. Höchli: Bei einer unveränderten Versorgungspolitik ist der Bedarf an zusätzlichen Langzeitbetten in Pflegeheimen vor allem in der Deutschschweiz sehr hoch. In der Westschweiz, wo schon heute betagte Menschen mit tiefen Pflegestufen ambulant begleitet werden, wächst die Spitex stark. Am meisten überrascht mich beim Bericht die prognostizierte Entwicklung bei den betreuten Wohnformen. Der Bericht geht davon aus, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren wahrscheinlich höher ist als heute. Ich bin überzeugt, dass das Betreute Wohnen bedeutend mehr an Bedeutung gewinnen wird, als dies im Bericht zum Ausdruck kommt. Ihrer Meinung nach unterschätzt der Obsan-Bericht die künftige Nachfrage nach betreuten Wohnformen? Höchli: Der Bericht zeigt ja auf, welche Folgen unterschiedliche politische Szenarien für die Langzeitpflege haben. Überraschend ist für mich, dass die künftig zu erwartende Entwicklung beim Betreuten Wohnen nicht sehr differenziert ausgearbeitet worden ist. Aktuell

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