ARTISET 09 I 2024 23 DIE STIFTUNG FARA Die im Jahr 1962 in Freiburg gegründete Stiftung Fara (Fondation Ateliers Résidences Adultes) bietet und fördert Wohn und Arbeitsräume in Übereinstimmung mit den Wünschen und dem Lebensprojekt von Erwachsenen mit einer intellektuellen Entwicklungsstörung, die in ihrem Alltag dadurch auf einschränkende Situationen treffen. Fara beherbergt und betreut 130 Personen im Rahmen von Werkstätten, Dienstleistungs und Wohnangeboten. Die Stiftung zählt über 120 Mitarbeitende, Praktikanten in Ausbildung und Lernende in den Betreuungs , Verwaltungs , Produktions und Dienstleistungsteams. ➞ www.fara.ch unseren operativen Prozessen, den verschiedenen Dokumenten und Betreuungsinstrumenten vertraut zu machen. In diesem Rahmen stellen wir auch die institutionellen Werte sowie das geltende Verfahren bei einer Verletzung der persönlichen Integrität vor. Und ein paar Wochen später schicken wir dem gesamten Personal ein Erinnerungsmail. Wir spielen mit dem Gedanken, auch für Dienstleistungsnutzenden, die in den Werkstätten arbeiten, eine solche Schulung einzuführen. Kürzlich haben Sie ein Gremium «Bientraitance» ins Leben gerufen. Worum geht es dabei? Im Frühling 2023 hat sich ein Dienstleistungsnutzender gegenüber einer Leiterin Arbeitsagogik besonders gewalttätig verhalten. Seit diesem Ereignis legen wir den Schwerpunkt verstärkt auf die Prävention durch «Bientraitance» (auf Deutsch etwa «gute Behandlung»). Die Aufgabe dieses Gremiums ist breit gefächert, denn es geht darum, den Bereich der Misshandlung klar zu umreissen und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten: Mitarbeitende gegenüber Dienstleistungsnutzenden und umgekehrt sowie Dienstleistungsnutzende untereinander. Zudem wollen wir uns mit verborgener Gewalt, Bosheit und Vernachlässigung befassen. Eine weitere Aufgabe des Gremiums wird darin bestehen, Instrumente, Mittel und Massnahmen zur Förderung von «Bientraitance» zu definieren und zu beschreiben und dabei eine gemeinsame Sprache zu verwenden, die alle verstehen. Dem Gremium «Bientraitance» gehören Mitarbeitende aus den verschiedenen Bereichen der Institution an. Was ist mit den Dienstleistungsnutzenden? Die Dienstleistungsnutzenden ziehen wir zu einem späteren Zeitpunkt hinzu, um ihre Meinung zu den geplanten Instrumenten und Massnahmen einzuholen und sie mit ihrer Hilfe zu verbessern. Parallel zum Gremium «Bientraitance» ist nach der Durchführung von internen, partizipativen Workshops zu den in der UN-BRK formulierten Rechten ein Ausschuss mit Dienstleistungsnutzenden entstanden. Dieser besteht aus zehn von ihren Peers gewählten Personen, die von einer externen Person begleitet werden. Sie haben ein offenes Ohr für ihre Peers, die Ideen einbringen oder bestehende Probleme schildern können. Dieser Ausschuss bildet sozusagen die erste Wachsamkeitsstufe der Institution. In der Stiftung Fara setzen Sie auf partizipative Ansätze. Inwiefern tragen diese zu «Bientraitance» bei? Wir wollen den Dienstleistungsnutzenden zeigen, dass sie nicht nur etwas in Anspruch nehmen, sondern aktiv an einem Projekt mitwirken – mit einer Stimme, die zählt. Neben unserem partizipativen Ansatz haben wir auch ein Konzept zu den Themen Intimität, Gefühle und Sexualität erarbeitet. Getragen wird dieses durch eine Ressourcengruppe, die sich Zeit nehmen kann, um ein offenes Ohr, Informationen und Schulungen anzubieten sowie Präventionsarbeit in diesem Bereich zu leisten. Auf diesem Weg haben wir uns an das Thema «Bientraitance» herangetastet. Nun wollen wir uns mit dem Kern der Frage befassen. Was heisst das konkret? Im Rahmen der zu entwickelnden Präventionsmassnahmen wollen wir die Politik der Transparenz und die Gesprächskultur stärken; ein Bewusstsein dafür schaffen, dass alle ihre Meinungen und Ideen einbringen, aber auch Missbilligung oder Unzufriedenheit ausdrücken können. Eine offene Gesprächskultur bringt Ruhe in Konfliktsituationen. Ein Leitbild «Gegen Gewalt» gibt es in unserer Stiftung bereits. Nun arbeitet das Gremium «Bientraitance» an einem Leitbild «Für Bientraitance». Darin wollen wir die gleichen Dinge betonen, jedoch auf positive Weise. Unser Ziel ist die Förderung von «Bientraitance» zur Prävention von Misshandlung. Was erwarten Sie konkret vom Bündner Standard? Den Weg der Intervention haben wir bereits gut abgesteckt. Wo wir den Bündner Standard als grosse Hilfe sehen, ist bei der Ausarbeitung einer Präventionsstrategie. Wir erwarten, dass das Instrument uns dabei helfen wird, den Umgang mit verschiedenen Situationen, die in der Institution eintreten, zu strukturieren, und die verschiedenen grenzüberschreitenden Verhaltensweisen zu erkennen. Genaueres wissen wir dann Anfang Herbst, nachdem uns die Projektleitenden des Bündner Standards das Instrument vorgestellt haben. Im Fokus
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