Grenzverletzungen angehen | Magazin ARTISET | 9 2024

36 ARTISET 09 I 2024 dafür einsetzen, dass die wirksamen Massnahmen, die langfristig finanziert werden müssen, in die Regelfinanzierung übergehen. Ende August endete die Vernehmlassung für die Umsetzung der zweiten Etappe des Pflegeartikels, bei der es vor allem um die Arbeitsbedingungen geht. Wie fällt Ihr Urteil insgesamt zu den vorgeschlagenen Massnahmen aus? Bugmann: Wir schätzen es sehr, dass der Bund sich dafür einsetzt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Er schlägt dazu eine Reihe von arbeitsrechtlichen Massnahmen vor, von denen einige unserer Meinung nach den Gestaltungsfreiraum der Arbeitgebenden allerdings zu stark einschränken. Unsere hauptsächliche Kritik bezieht sich aber auf die Finanzierung. Der Bund sagt nichts über die Kostenfolgen der Massnahmen und die Finanzierung. Der Bund schreibt, dass die Finanzierung durch eine interne Umverteilung erfolgen soll. Was sagen Sie dazu? Zweifel: In den Alters- und Pflegeheimen geht dies nicht. Was mich vor allem stört: Die Grundannahme eines solchen Satzes ist, dass es genug Geld im System gibt und die Gesundheitseinrichtungen einfach besser wirtschaften müssten. Das ist eine Anmassung gegenüber unseren Mitgliedern. In einer so stark regulierten Branche kann man nicht einfach umverteilen. Bugmann: Wir stellen bereits seit Jahren eine stattliche Finanzierungslücke bei den Heimen fest. Die Gelder der Versicherer und der Kantone als Restfinanzierer reichen nicht, um die Kosten zu decken. Zu den arbeitsrechtlichen Massnahmen, die der Bund vorschlägt, gehören diverse Zuschläge, auch eine Reduktion der (Höchst-)Arbeitszeiten. Das sind doch sehr vernünftige Massnahmen? Bugmann: Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagenen Zuschläge, etwa für Nachtarbeit oder Schichtarbeit, finden wir gut – unter der Voraussetzung wie gesagt, dass sie finanziert sind. Vorsicht ist aber angebracht bei anderen Vorschlägen, welche die Höchstarbeitszeit und die wöchentlichen Normalarbeitszeiten senken oder auch spezifische Vorgaben zu den Dienstplänen machen. So sollen zum Beispiel die geteilten Dienste nicht mehr möglich sein. Dabei handelt es sich aber doch um Massnahmen, welche die Mitarbeitenden entlasten? Zweifel: Die Politik zeigt ein grosses Interesse an einer Verbesserung der Situation, was wir begrüssen. Das Problem besteht aber darin, dass sie dies mit sehr viel Regulierungen erreichen wollen. Wenn der Bundesrat aber die Arbeitszeiten reguliert und die Art der Dienstpläne vorschreibt, verlieren die Arbeitgebenden und auch die Arbeitnehmenden die Flexibilität, um die für sie passenden Modelle zu finden. Betriebe brauchen den nötigen Spielraum, um auf die individuellen Bedürfnisse vor Ort eingehen zu können. Zum Beispiel können geteilte Dienste für bestimmte Mitarbeitende attraktiv sein. Bugmann: Arbeitgebende bieten heute bereits vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels ihren Mitarbeitenden zeitgemässe Arbeitsmodelle an und schaffen auch ein gutes Arbeitsumfeld. Regulierungen sollen zudem zum Ziel haben, den Mitarbeitenden wirklich zu helfen. Bei etlichen der vorgeschlagenen Massnahmen ist aber eher eine Schlechterstellung zu befürchten. Inwiefern führt eine Reduktion der Arbeitszeit zu einer Schlechterstellung? Bugmann: In einer Zeit des Personalmangels wird auf diese Weise die Arbeit auf noch weniger Schultern verteilt, was zu Überlastung führen kann. Sobald man die Arbeitsstunden heruntersetzt, braucht es mehr Personal. Das Problem aber ist, dass wir dieses nur schwer finden. Zweifel: Die Ausbildungsoffensive soll helfen, künftig mehr Personal zu finden. Die demografische Alterung stellt uns jedoch vor weitere Herausforderungen. Der Fachkräftemangel wird durch die Pensionierung der Babyboomer in den nächsten Jahren noch grösser. Und wenn wir jetzt noch überall und gleichzeitig die Arbeitszeit heruntersetzen, «Um die Umsetzung des Gesetzes sicherzustellen, fordern wir vonseiten Artiset eine Erhöhung des Beitrags der obligatorischen Krankenversicherung OKP» Christina Zweifel, Geschäftsführerin Curaviva Aktuell

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