Grenzverletzungen angehen | Magazin ARTISET | 9 2024

ARTISET 09 I 2024 9 ‣ Gesundheit Weiterbildung an der BFH CAS Demenz und Lebensgestaltung | Start: November 2024 CAS Eigenweltorientierte Kommunikation Demenz Start: April 2025 Fachkurs Interprofessionelle Zusammenarbeit in der Lebenswelt älterer Menschen | Start: Januar 2025 Kurs Diagnostik und Management Schwindel | Start: Januar 2025 Kurs Unerfüllter Kinderwunsch – ganzheitlich betreut und begleitet | Start: Februar 2025 bfh.ch/gesundheit/weiterbildung 09_WB_INA_PFL.indd 1 13.08.2024 11:41:52 Anzeige Diese Beispiele wurden gemeinsam mit den besprochenen Massnahmen ins Einstufungsraster eingetragen und auf den Stationen und den Arbeitsbereichen hinterlegt. Eine Meldestelle für Mitarbeitende Seit November 2023 arbeitet die ganze Institution mit dem neuen Instrument. In jedem Arbeitsbereich gibt es nun eine grüne Mappe mit den erarbeiteten Dokumenten, unter anderem mit dem Einstufungsraster und Merkblättern. Wöchentlich findet im Team ein Austausch statt, und monatlich gibt es Rapporte, um sich über grenzverletzende Erfahrungen auszutauschen. Hilfreich sei zudem die Einrichtung einer unabhängigen, internen Meldestelle für die Mitarbeitende – in Pflegezentrum Serata handelt es sich hierbei um eine Fachperson Aktivierung. Dieses Angebot empfindet Dominique Cerveny als unbedingt nötig, da sich die Mitarbeitenden so auch im geschütztem Rahmen Unterstützung bei heiklen Themen holen können. «Das Thema Grenzüberschreitungen haben wir erfolgreich aus der Tabu-Ecke geholt, und es gehört nun zum Alltag, grenzverletzendes Verhalten zu benennen», meint Dominique Cerveny. Dabei helfe insbesondere die gemeinsam entwickelte Sprache. Viele Mitarbeitende seien nun sensibilisiert und viel eher dazu bereit, sich im Team Unterstützung zu holen – auch zum Zweck des Selbstschutzes. Dank den Kommunikationsgefässen wie dem Rapport und den Teammeetings hat man nun auch Zeit und das Bewusstsein, brenzlige Situationen aufzuarbeiten: Eine Bewohnerin wehrte sich zum Beispiel am Morgen vehement gegen die Körperpflege und wurde verbal ausfällig. Dies wurde bis anhin zur Kenntnis genommen und es kostete alle Beteiligten viel Energie, die Bewohnerin doch zur Körperpflege zu bewegen. Im Rahmen des Bündner Standards wurde diese Situation evaluiert und festgestellt, dass die Bewohnerin sich früher immer abends geduscht hat. Die Körperpflege wurde deshalb auf den Abend gelegt und funktionierte ab dann ohne Auseinandersetzungen. Ohne den Bündner Standard Rapport hätte es womöglich länger gedauert, diese und andere Situation anzusprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Ein besonderes Augenmerk liegt nun auch darauf, schnell zu handeln, wenn vermeintlich leichte Grenzverletzungen – wie abwertende Bemerkungen oder Drohungen – zeitlich gehäuft auftreten. Eine Kultur des Hin- und Nicht-Wegschauens «Bereichsübergreifend ein thematisches Projekt zu realisieren, ist zwar bereichernd, aber immer auch eine Herausforderung. Die Denkart ist in den Arbeitsbereichen unterschiedlich, der Umgang mit dem Dokumentieren ist ebenfalls herausfordernd, da es nicht in allen Bereichen eigens dafür ausgelegte Systeme gibt. Da sind wir noch am Tüfteln», sagt Dominique Cerveny. Die Herausforderung sei, alle Mitarbeitenden im Boot zu haben. Dass das Alters- und Pflegezentrum Serata den Bündner Standard mit eigenen Beispielen selbst erarbeitet hat, habe geholfen, die Mitarbeitenden für das Projekt zu begeistern. «Wenn man beteiligt ist, fühlt man sich automatisch auch als Teil davon.» Neu werden im Rahmen des Projektes weitere Themen bearbeitet, zum Beispiel die Einbindung der Nachtwachen sowie die Erweiterung auf grenzüberschreitendes Verhalten unter Mitarbeitenden. «Wir haben vor und nach der Einführung des Bündner Standards eine Evaluation gemacht, und auf dem Papier haben die Fälle von Grenzüberschreitung seit letztem Jahr exponentiell zugenommen. Also ist es gefährlicher bei uns geworden?», fragt Cerveny mit einem Augenzwinkern. «Nein, natürlich nicht! Wir haben unterdessen eine Kultur des Hinsehens entwickelt und sind jetzt mit dem Thema professionell und selbstbewusst unterwegs.» * Reka Schweighoffer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Branchenverbands Curaviva. Ein Video zur Einführung des Bündner Standards im Pflegezentrum Serata

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