Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

ARTISET 01/02 I 2023 25 ntion? he! Dementsprechend sei der Wunsch nach Fachwissen in den letzten Jahren gewachsen, sagt Spalinger, längst auch über die anthroposophisch geprägten Institutionen hinaus, die bis dahin eine Vorreiterrolle punkto Gewaltprävention innehatten: Bereits vor 20 Jahren hatte die Fachstelle Anthrosocial von ihren Organisationen gefordert, Meldestellen mitsamt Meldepflicht einzuführen, und ihre Mitglieder zu einem Gewaltpräventionskonzept verpflichtet, das alle fünf Jahre überprüft wurde. Zudem wurden jährliche Weiterbildung und ein Informationsaustausch angeboten. Die sechstägige Fortbildung für die Verantwortlichen der Präventions- und Meldestellen ist regelmässig ausgebucht, und zwar längst nicht mehr nur von anthroposophisch geprägten Institutionen. Dieses Jahr muss sie sogar erstmals doppelt durchgeführt werden. Das freut Spalinger: «Es ist wichtig, gute fachliche Grundlagen zu haben.» Diese Weiterbildung bietet Anthrosocial in Kooperation mit Limita an, der Fachstelle zur Prävention sexueller Ausbeutung. Auch Limita-Fachmitarbeiterin Miriam Staudenmaier ist überzeugt, dass das Postulat von Franziska Roth einen wichtigen Impuls bringe. «Besonders innerhalb der Institutionen besteht ein höheres Risiko für Gewalterfahrungen, weil dort aufgrund der Abhängigkeit ein asymmetrisches Machtverhältnis besteht.» Dieses Risiko werde noch erhöht durch die Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen häufig auf Lebenszeit in Pflegesituationen eingebunden seien: «Das bedeutet, dass sie keine geschützte Intimsphäre in Bezug auf Sexualität haben und auch ein weniger ausgeprägtes Schamgefühl aufbauen können.» Früher habe man Menschen mit Behinderung die Sexualität völlig abgesprochen. Das habe sich zum Glück geändert. Umso dringender sei allerdings die institutionelle Prävention. Limita unterstützt Institutionen und verantwortliche Fachpersonen mithilfe eines Bausteinmodells beim Erarbeiten von Schutzkonzepten. Allein im Baustein Personalmanagement könne man viele Barrieren einbauen, sagt Miriam Staudenmaier: «Indem man das Thema Nähe-Distanz hinsichtlich Grenzverletzungen bereits bei der Anstellung anspricht und es immer wieder thematisiert. Und indem man Referenzen und Strafregisterauszüge einholt.» Ein weiterer Baustein sei das Wissensmanagement: «Wir bieten Schulungen an und vermitteln den Mitarbeitenden Kompetenzen zu diesem Thema.» Insbesondere im Bereich des Risikomanagements lasse sich vieles erreichen, mit Verhaltenskodexen. Indem man mithilfe von Risikoanalysen ermittle, wo beispielsweise Situationen mit körperlicher Nähe stattfinden. Bezogen auf diese Situationen müssen konkrete Standards von professionellem Handeln partizipativ entwickelt werden, die den Mitarbeitenden der Institution Orientierung bieten: «So etabliert sich eine Kultur der Besprechbarkeit.» Stärkung und Aufklärung Franziska Roth hofft, mit ihrem Postulat zu erreichen, dass Menschen mit Behinderungen gestärkt und – auch punkto Sexualaufklärung – nicht ausgeschlossen werden. Noch zu selten werde ihnen echte Teilhabe gewährt, findet sie. «Und noch zu oft wird ohne sie über sie gesprochen.» Bei aller Stärkung und Prävention, sagt Matthias Spalinger von Anthrosocial, «dürfen wir nie davon ausgehen, dass sexualisierte Gewalt nie mehr vorkommt». Deshalb haben Anthrosocial und Limita bei ihren Fortbildungen für Präventions- und Meldestellenverantwortliche absichtlich für den ersten Tag auch die Institutionsleitungen mit eingeladen: «Nur mit entsprechendem Verständnis bieten sie den Verantwortlichen im Alltag auch genug Unterstützung und Ressourcen», sagt Spalinger. Für ihn steht deshalb fest: «Prävention ist Leitungssache!» ➞ www.anthrosocial.ch ■ Fachstelle Prävention > Weiterbildungen ■ Fachstelle Prävention > Dokumente ➞ www.limita.ch ■ Schutzkonzepte ■ Aktuell > Interaktive Präventionsausstellung INA

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